1851 – 1931 Königlicher Musikdirektor am Lehrerseminar in Alfeld.
Vertonte u. a. „Das Alfelder Lied“.
Robert Linnarz
In einer Erinnerung an seine Zeit am Alfelder Lehrerseminar von 1889 bis 1892 schrieb wahrscheinlich nach seiner Pensionierung der Lehrer Wilhelm Beskow über Robert Linnarz.
Den folgenden Text erhielt das Stadtarchiv um 1980 von den Nachkommen Wilhelm Beskows: „Robert Linnarz, unser Musiklehrer, entstammte einer verbreiteten Musikantenfamilie. Zeitweise waren drei Brüder Linnarz Seminar-Musiklehrer in der Provinz Hannover. Da ich ein guter Musiker und Sänger war, hatte ich bald seine Gunst errungen. Von seinem Eintritt ab ins Alfelder Seminar hatten wir schon in der Präparande bei ihm Unterricht in Harmonielehre und Gesang. Wir waren seine Renommierklasse sehr zum Mißfallen der Seminaristen der älteren Jahrgänge, denen er uns als sein Werk und Muster hinstellte. Linnarz brachte in das unter Vater Mund in seinen letzten Jahren etwas vernachlässigte Musikwesen im Seminar einen großen Aufschwung. Besonders als Chorleiter war er gut, wir haben viel bei ihm gelernt.
Literarisch war er sehr tätig, seine Polyhymnia, eine dreibändige Sammlung für Männerchor, wurde in allen Seminaren der Provinz eingeführt. Seine Marschlieder: ‚Hinaus in Gottes freie Welt‘ und ‚Ihr Wandervögel in der Luft‘ und andere wurden durch seine Schüler Repertoirstücke vieler Gesangvereine. Wenn auch seine Chorleitung manchmal an Effekthascherei streifte, so war sie doch oft faszinierend. Ich entsinne mich gern noch, daß er bei einer Revision durch den Oberpräsidenten Rudolf von Bennigsen erst einige Chöre zu Gehör brachte, die den Herrn sehr befriedigten. ‚Nun singen Sie mir noch etwas, was Sie gern singen‘, sagte er zum Schluß. Linnarz kam zu uns. ‚Jungs, was wollen wir singen?‘ Den Trompeter an der Katzbach‘, flüsterten wir. Nun stieg das Lied, das vom sanftesten Pianissimo bis zum rauschenden Fortissimo die ganze musikalische Skala umfaßte. Als dann nach ‚als wie ein steinern Bild‘ 2. Tenor und 1. Baß blitzartig auf die Bänke stiegen ‚und die Trompete schmettert in allen Figurationen über die Zuhörer erbrauste, sahen wir deutlich, wie erschüttert sie waren und alle Farbe aus ihren Gesichtern wich. Nach Beendigung schüttelte Bennigsen unserm Robert immer wieder dankend die Hand. Linnarz geleitete die Herren dienernd zur Aulatür, aber kaum hatte sich die Tür geschlossen, als er einen mächtigen Luftsprung mit den Worten vollführte: ‚Jungs, das haben wir gut gemacht!‘
Linnarz und Meyerholz sind oft für uns eingetreten, denn fast jede Konferenz beschäftigte sich mit der Rauhbeinklasse, sie konnten gegen die geschlossene Phalanx nicht an, haben aber wohl doch Schlimmeres verhütet“. Die Familie mit der damaligen Schriftform „Linnartz“ wohnte um 1779 im Bereich Pingsdorf-Badorf beziehungsweise Brühl bei Bonn. Robert Linnarz selbst wurde am 29. September 1851 in Potsdam geboren, kam am 1. März 1888 nach Alfeld und verstarb hier 1931.
Quelle: „Kleine Alfelder Kulturgeschichte“ – Kraus/Gonschorek
Das Alfelder Lied
In dem schönen Leinetale,
das von Milch und Honig fließt,
wo die Warne in die Leine
raschen Laufes sich ergießt.
Am Beginn der Sieben Berge,
an dem hohen Himmelberge,
sei, o Heimat, uns gegrüßt.
Sieh den Strom durch’s Tal sich schlängeln
und der Wiesen frisches Grün.
Sieh die Rinder munter weiden
und die Gärten lieblich blühn.
Sieh der Hügel reiche Felder,
und der Berge dunkle Wälder,
hohe Buchen, stolz und kühn.
Sieh nun Alfeld schön im Tale,
Türme grau und Dächer rot
wie dort Handel und Gewerbe
emsig sorgen für das Brot.
Wo man eifrig so beflissen,
da lässt Sparen nicht vermissen
und gewahrt man keine Not
Nur das Böse mutig scheuen,
fliehen auch dem Alkohol;
nur das Gute eifrig üben
wie der Christ es kann und soll.
Nur des Himmels reicher Segen,
zeitig Sonnenschein und Regen,
und uns ist in Alfeld wohl!
Das „Alfelder-Lied“ erklingt – KI-generiert – wenn Sie auf das obige Bild klicken.
Nicht zu verwechseln mit dem „Alfeld-Lied“ !!! – klicken
Robert Linnarz – unvergessen
Alfeld gedenkt seiner am heutigen hundertsten Geburtstag
Mit einer Gedenkfeier an seinem Grabe erinnern sich heute viele seiner ehemaligen Schüler, Freunde und Verehrer des Musikdirektors Robert Linnarz, der von 1888 bis 1921 am Alfelder Lehrerseminar wirkte. Er ist am 7. Dezember 1931 in Alfeld gestorben, sein Grabmal erhielt die ungewöhnliche, aber bezeichnende und an sein schönstes Lied erinnernde Inschrift: „O blühende Jugend, wie bist du so schön!“
Robert Linnarz war nicht nur eine der markantesten Persönlichkeiten im Lehrerkollegium des Alfelder Seminars, sondern auch eine der populärsten der Einwohnerschaft. Seine auffallend stattliche Erscheinung, das Feuer seiner Augen, die kühn geschwungene Nase, das üppige, dunkle Haar, dazu seine gewinnende Leutseligkeit und Derbheit, sein herzhafter Humor und manches andere hoben ihn aus seiner Umgebung ohne weiteres heraus. Er war in langen Jahrzehnten eine der bekanntesten und geschätztesten Persönlichkeiten Alfelds, von seinen Schülern wurde er verehrt und geliebt. Als er 1921 in den Ruhestand trat, herrschte im Seminar große Trauer, seine Verabschiedung in der Aula, in der er so oft den Seminarchor geleitet und zu festlichen Stunden meisterhaft die Orgel gespielt hatte, war ergreifend. Am Abend ehrte den geliebten Lehrer ein Fackelzug der Seminaristen, der von einem Großteil der Einwohnerschaft begleitet wurde. „Seine Jungens“ sangen ihm vor seinem Hause an der Kaiser-Wilhelm-Straße zum letzten Male „O blühende Jugend … „
Robert Linnarz wurde am 29. September 1851 in Potsdam geboren. Schon als Sängerknabe in der Potsdamer Garnisonkirche erregte er durch seine sichere und schöne Stimme die Aufmerksamkeit hoher Kreise. Nach dreijährigem Besuch des Lehrerseminars zu Oranienburg wurde er 1871 Lehrer an der Bürgerschule und Dirigent des Gesangvereins zu Freienwalde an der Oder. Im Institut für Kirchenmusik zu Berlin vertiefte er im Kursus 1875-1876 seine musikalische Ausbildung und erwarb die Lehrbefähigung als Musiklehrer an höheren Lehranstalten und Lehrerseminaren. Nach kurzer, stellvertretender Beschäftigung am Seminar zu Osnabrück kam Linnarz als Seminarmusiklehrer nach Bederkesa, von wo er am 1. März 1888 nach Alfeld versetzt wurde.
Der Musikunterricht am hiesigen Seminar hatte seit Jahrzehnten in der Hand des Seminarlehrers Wilhelm Mund gelegen, der, selber Schüler unseres Seminares und Gründer der hiesigen Präparandenanstalt, am 26. November 1887 im 63. Lebensjahr gänzlich unerwartet gestorben war. Das Grabmal dieses unter dem Namen „Vater Mund“ allgemein verehrten Mannes gehört zu den wenigen auf dem alten Friedhofe noch vorhandenen Denkmälern.
Bald nach seinem Amtsantritt als Seminarmusiklehrer übernahm Linnarz auch die Chorleitung der Alfelder Liedertafel; später gründete er aus Damen der Stadt und dem Seminarchor den Gemischten Chor. Hohe musikalische Begabung, methodisches Geschick und frohsinnige Natur zeichneten ihn aus. Schon vor seiner Alfelder Zeit hatte er eine Reihe von eigenen Musikwerken veröffentlicht, eine recht große Zahl folgte während seiner hiesigen Tätigkeit. Zur Hundertjahrfeier des Seminars im Jahre 1902 vertonte er als hundertstes Opus den hundertsten Psalm: „Jauchzet dem Herrn, alle Welt!“ Insgesamt sind fast 150 Werke von ihm durch Druck veröffentlicht worden.
Meist handelt es sich dabei um Lieder für einzelne Singstimmen, mehrstimmige Kinderlieder, Lieder für Männerchöre und gemischte Chöre ohne oder mit Begleitung durch Klavier oder Orchester. Dem Inhalt nach sind es Naturlieder, heitere Lieder der Geselligkeit, Heimat- und Vaterlandslieder, Bergmanns- und Soldatenlieder, Wanderlieder und religiöse Klänge. Manche Lieder wurden zum eisernen Bestande in Seminaren und Gesangvereinen.
Außer Einzelliedern kommen Liederbücher in Frage, die Linnarz allein oder in Gemeinschafft mit den Seminarmusiklehrern Busche und Reinbrecht und dem Gymnasial-Gesanglehrer Harry Hoffmeister, einem früheren Schüler des hiesigen Seminars aus dem Kursus 1832-1895, herausgegeben bat. Genannt seien:
- Bösche — Linnarz, Auswahl von Liedern für deutsche Schulen, 4 Hefte (Unterstufe, Mittelstufe, Oberklassen der Volksschule, gehobene und höhere Schulen).
- Bösche – Linnarz, Auswahl von Liedern für einklassige Schulen.
- Bösche — Linnarz – Reinbrecht, Polyhymnia. Auswahl von mehrstimmigen Männerchören für Seminare. 3 Bände (Geistliche Lieder, Volk- und volkstümliche Lieder, Kunstlieder).
- Hoffmeister – Linnarz, Liederstrauß. Lieder und Gesänge in fünf Bänden für höhere Lehranstalten.
- Linnarz, Soli Deo gloria. Auswahl religiöser Gesänge für gemischten Chor.
- Linnarz. 115 Choräle zum evangelisch-lutherischen Gesangbuch der Hannoverschen Landeskirche, für Orgel oder gemischten Chor bearbeitet.
- Linnarz. 90 Choräle zum evangelisch-lutherischen Gesangbuch der Hannoverschen Landeskirche für vierstimmigen Männerchor.
- Linnarz, „Frisch gesungen‘. Eine Auswahl weltlicher Gesänge für gemischten Chor.
- Linnarz, Auswahl von Chorgesängen für Oberklassen höherer Mädchenschulen, sowie für Pensionate und Lehrerinnenseminare. 2 Bände.
- Linnarz. Patriotische Klänge. Vaterländische Lieder und Märsche für Klavier, auch für Gesang mit Klavierbegleitung.
Eine schon in den achtziger Jahren herausgegebene Methodik des Gesangunterrichts erschien in neuer Bearbeitung 1904 als Sonderausgabe in Gehrigs Methodik des gesamten Unterrichts der Volks- und Mittelschule. Bemerkenswert unter den Werken von Robert Linnarz sind auch Klavierstücke zu zwei und vier Händen, Orgelvorspiele zu bekannten Chorälen, ein Klassikeralbum für Violinchor und Orgel, eine Violinschule und eine dreibändige Orgelschule.
An Anerkennung hat es Robert Linnarz nicht gefehlt. Seine Liederbücher wurden in der Presse gut beurteilt, vielfach auch von den Behörden zur Einführung empfohlen. Gelegentlich der Jahrhundertfeier des Seminars erhielt Linnarz den Titel Königlicher Musikdirektor. Die musikliterarischen Blätter in Wien brachten am 1. November 1904 Biographie und Bild des Künstlers und ein Verzeichnis aller bis dahin durch Druck veröffentlichten 108 Werke. Das Konsistorium in Hannover empfahl ihn zum Orgelrevisor. Für pädagogische Blätter und andere Zeitschriften war er Musikrezensent. Bei zahlreichen Gesangswettstreiten fungierte Linnarz bis in sein hohes Alter als Preisrichter. Als solcher war er in Hildesheim, Peine, Goslar, Bad Harzburg, Ilsenburg, Clausthal-Zellerfeld, St. Andreasberg, Göttingen, Osterode, Einbeck, Salzuflen, Bad Pyrmont u. a. anderen Städten.
Mit Ausbruch des Weltkrieges stellte die Alfelder Liedertafel die Singabende ein; auch der Seminarchor konnte sich wegen zu geringer Schülerzahl nicht mehr entfalten. Als aber am 1. Februar 1919 der Unterricht im vollen Umfange wieder aufgenommen wurde und mit Einschluss der Kriegskurse die Zahl der Seminaristen annähernd 120 betrug, erlebte der Seminarchor einen neuen Aufstieg.
Am 1. April 1921 trat Robert Linnarz in den Ruhestand. Aber noch einmal sollte er als Vierundsiebzigjähriger einen Riesenchor von 500 Sängern dirigieren: Als er am 30. September 1925 bei der Abschlussfeier des Seminars abends den Saal des Hotels zur Post betrat, wurde er stürmisch begrüßt und gebeten, den Taktstock zu schwingen beim Klange seiner beliebten Wanderlieder. Das war ein Erleben für ihn und alle Beteiligten!
Am 7. Dezember 1931 starb Robert Linnarz. Seit 20 Jahren ruht er in der weißen Erde des Alfelder Friedhofs. Kaum einer vermag an seinem Grab vorüber zu gehen, ohne sinnend zu verharren: denn in den Stein seines Grabmals ist in Erinnerung an sein schönstes Lied eingemeißelt: „O blühende Jugend, wie bist du so schön!“
W. Hz.
Alfelder Zeitung vom 29. September 1951
Die Grabstätte auf dem Alfelder Friedhof