„Ein Fanfarenzug nur für Junggesellen“
Erinnerungen an den Fanfarenzug der Stadt Alfeld (Leine)“
Die Freischießen nach dem Kriege hatten eine besondere Note durch die tragende Mitwirkung der Alfelder Junggesellen und ihren Fanfarenzug, der mit seinen flotten Märschen, schneidigem Auftreten und nicht zuletzt seiner Mithilfe bei der Gestaltung der Feste über Alfelds Grenzen hinaus bekannt und beliebt war.
Bereits 1951 beim Perkbäuerschafts-Fest fanden sich einige Alfelder Junggesellen um „Neger“ Jörns, (weitere Namen sind bekannt) zusammen die mit alten, verbeulten Fanfaren und Hörnern Ständchen brachten.
Die Instrumente waren Überbleibsel der HJ und wurden in mühseliger Arbeit von Speichern und Böden zusammengesucht. Das Repertoire umfasste damals im Wesentlichen die „klassischen Märsche“, die auch heute noch gespielt werden. Aber es gab auch schon Spezialitäten wie der Marsch „Es raschelt‘s Papier bei Stegen“.
Beim Freischießen 1953 trat die gleiche Gruppe wieder auf. Ohne viel Übungsbetrieb wurde mit den flotten Weisen die Mitbürgerschaft erfreut.
Als Albert Jacob Anfang 1958 im Rahmen der Vorbereitungen zum Freischießen zum Stabskapitän der Junggesellen berufen wurde, waren an einem kalten Winterabend etwa 100 junge Alfelder Männer im Kaiserhofsaal versammelt. Nachdem auch der Major feststand und die Namen für die vielen Schaffer und Uniformierten notiert waren, bestieg man die Bühne und forderte alle auf, sich an einem Fanfarenzug der Alfelder Junggesellen zu beteiligen.
Einige Tage später fanden sich dann tatsächlich über dreißig junge Männer im ungeheizten Kaiserhof zusammen und fingen an, sich unter Anleitung der „alten Hasen“ mit Fanfaren, Hörnern und Trommeln vertraut zu machen. Es kostete die damaligen Übungsleiter viel Geduld, den begeistert mitgehenden Jugendlichen das erste „Kartoffelsupp“ oder die „Locke“ (musikalisches, bei Märschen übliches Vorspiel) beizubringen.
Aber die Mühe lohnte sich. Bereits nach kurzer Zeit konnte der Fanfarenzug bei einem Polterabend-Ständchen glänzen. Dieser Erfolg wurde im Hotel „zur Post“ kräftig gefeiert.
Marschieren und Musik im Gleichschritt und damit verbundenen Probleme
„Üben, üben und nochmals üben“
An die Öffentlichkeit trat der Fanfarenzug in Alfeld zum ersten Male um Pfingsten 1958, als das Freischießen „ausgetrommelt‘ wurde. Hierbei traten bei den neuen Trommlern und Bläsern jedoch so viele Schwierigkeiten beim Marschieren auf, dass Tambourmajor „Neger“ Jörns sofort zusätzlich zu den wöchentlichen Übungsabenden den Samstagnachmittag für technische Unterweisung einführte. Vielen Alfeldern wird noch in Erinnerung sein, wie sich die jungen Männer am Wochenende auf den damaligen Sportplätzen im Perk abmühten. Gleichschritt und Schwenkungen zu lernen und dabei auch noch zu blasen und zu trommeln.
Bereits zu dieser Zeit hatte Stabskapitän der Junggesellen Albert Jacob die organisatorische Leitung des Zuges fest in der Hand. Unter seiner Regie wurden Uniformen angeschafft und – mit Zuschüssen der Stadt – Instrumente gekauft. Er war es auch, der die seinerzeit viel belächelte Anzeige „Gebrauchtes Becken von den Alfelder Junggesellen gesucht“ in verschiedenen Tageszeitungen aufgab. Hierauf scheint jedoch nie ein Angebot gekommen zu sein; denn bis zu seinem Ende hat der Fanfarenzug der Stadt Alfeld stets ohne Becken gespielt und nur Fanfaren und Landsknechts-Trommeln benutzt.
Aber nicht nur die musikalische Seite beschäftigte die Musikanten. Im kleinen Büro des damaligen „Modehaus Jacob“ in der Bahnhofstraße wurde oft bis spät abends über Einzelheiten des Freischießens diskutiert, geplant und vorbereitet. Hier wurde das große Luftballon-Wettfliegen geboren, von dessen Erlös neue Instrumente gekauft werden sollten. (An den Festtagen wurden auf der Hackelmasch rund 4000 Ballons auf die Reise geschickt.) Hier wurden die Eingangskontrollen für die Festzelte festgelegt und Zeit-, Dienst- und Einsatzpläne zu Papier gebracht.
Auch der Plan für einen Tilittentititt-Abend entstand in Albert Jacobs Büro. Bei dieser Veranstaltung am 30.4.58 im ausverkauften Kaiserhofsaal handelte es sich allerdings nicht um einen reinen Trainingsabend, sondern um eine Tanzveranstaltung, in deren Verlauf mehrfach der Alfelder „National-Tanz“ mit Unterstützung der Kapelle Gattermann geübt wurde.
„Große Auftritte“ über die Grenzen Alfelds hinaus
Während des Freischießens 1958 war der Fanfarenzug laufend im Einsatz. Es begann mit dem Marsch zum Ehrenmal am Steinberg, wo während der Kranzniederlegung die „Feierliche Fanfare“ intoniert wurde und endete mit dem Marsch zum Marktplatz am Ende des Festes, um ein letztes Mal den Tilittentititt zu spielen und zu tanzen.
Viele alte Mitglieder betrachten heute noch das Freischießen von 1958 als den Höhepunkt des Fanfarenzuges, doch diese Tage brachten dem eigentlich nur zu diesem Anlass zusammengerufenen Team so viel Begeisterung und Zulauf, dass nach dem Fest beschlossen wurde, den Fanfarenzug weiterzuführen.
Ein Verein „Fanfarenzug Stadt Alfeld (Leine)“ wurde gegründet, dessen Vorsitz Albert Jacob übernahm. Fritz Lemke erklärte sich bereit, die musikalische Leitung zu übernehmen. Die Übungsstunden fanden im Landvolk-Café statt.
In den folgenden Jahren bis 1961 war der Fanfarenzug stets von April bis September „ausgebucht“. Jedes Wochenende führte zu anderen Gastspielen. In einer Reihe von Orten war die Begeisterung so groß, da man spontan beschloss selbst eine solche Formation zu gründen. Der Fanfarenzug Uslar, der in Alfeld durch viele Gastspiele bekannt war, wurde sogar während seiner ersten Übungsstunden von Alfeldern angeleitet.
Höhepunkte waren jeweils die Gastspiele beim hannoverschen Schützenfest, bei dem die Alfelder mit über 50 Spielleuten auftraten. Hier gab auch der damalige Landesvater Hinrich-Wilhelm Kopf eine Lage für die Alfelder Jungs aus. Auch der Auftritt im ausverkauften Niedersachsen-Stadion beim Fußball-Länderspiel Deutschland – Jugoslawien ist unvergessen.
„Unrühmliches Ende“
1961/62 fand der Fanfarenzug allerdings ein so schnelles Ende wie er entstanden war. Da die im Sommer eingespielten Gelder und die Beiträge nicht dazu ausreichten, den Musiklehrer und das inzwischen als Übungsraum genutzte Vereinshaus des Post-Sportvereins zu bezahlen, mussten Umlagen erhoben werden.
Hier sprang erfreulicherweise der Post-SV ein und erklärte sich bereit, den Fanfarenzug als Sparte zu übernehmen. Der Vorstand des Zuges erklärte sich schweren Herzens einverstanden und auch eine knappe Mehrheit der Mitglieder stimmte der Fusion zu.
In der neuen PSV-Uniform waren zwar noch einige schöne Erfolge erreicht worden. Als jedoch der Musiklehrer entlassen werden musste und die älteren Mitglieder sich aus beruflichen und familiären Gründen zurückzogen, wurde der Übungsbetrieb unrühmlich eingestellt.
Während der Schützenfeste hat es immer wieder Initiativen gegeben, den Fanfarenzug neu zu gründen, wobei es an Unterstützung sicher nicht gefehlt hätte. Sogar der Tambourmajor „Neger“ Jörns erklärte sich bereit, zu helfen.
Doch alle Bemühungen waren am Ende vergebens, der Fanfarenzug hörte auf zu existieren. Jahre später, 1972, gründete sich unter dem Dach des Deutschen Rotes Kreuzes der gleichnamige Fanfarenzug. Dieser hatte aber nichts mit dem aus dieser Geschichte zu tun. Wer weiß also was die Zukunft bringt, aber in diesen Zeiten einen Fanfarenzug neu ins Leben zu rufen bleibt wohl ein Wunschgedanke, auch wenn es ein schönes Aushängeschild für unsere Stadt Alfeld wäre.
Wir bedanken und bei dem immer mit Alfeld verbundenen Jürgen Baumert, der die Idee und den Text zu obiger Geschichte lieferte.
Alfelds Fanfarenzug im Niedersachsen-Stadion
Er spielt in der Halbzeit des Länderspiels Deutschland – Jugoslawien
(Aus einem Artikel der Alfelder Zeitung über die Partie die am 20. Dezember 1959 in Hannoverausgetragen wurde)
Dem Alfelder Fanfarenzug, der in ganz Niedersachsen nicht seinesgleichen hat, ist eine neue große und ehrenvolle Aufgabe zugefallen:
Er ist verpflichtet worden, die Halbzeit des Fußball-Länderspiels Deutschland-Jugoslawien am Sonntag, dem 20. Dezember, im Niedersachsen-Stadion in Hannover musikalisch auszufüllen. Das ist gewiss der krönende Abschluss einer an Erfolgen reichen Saison, zu dem wir unseren jungen Alfelder Bläsern und Trommlern und ihrem Tambourmajor „Neger“ von Herzen Glück wünschen!
Der Auftritt im Niedersachsen-Stadion in Hannover ist der fünfzehnte in diesem Jahr, die Verpflichtung dazu zeigt, dass der Zug in Niedersachsen große Beachtung gefunden hat. Rinteln, Herzberg (Nieders. Fanfaren- und Spielmannszugtreffen, 1. Platz der Klasse G), Schützenausmarsch Hannover, Hildesheim, Bodenwerder, Uslar, Grünenplan und auch Alfeld selbst waren besonders bemerkenswerte Plätze des Auftretens der Alfelder Jungen. Überall haben sie großen Beifall erhalten und sich bleibende Sympathien erworben. Und wie war es möglich, dass der Alfelder Fanfarenzug zu einem so hervorragenden Ruf und Ansehen gelangte?
Nach anfänglichen Schwierigkeiten besonders bei der Beschaffung von Instrumenten und einheitlicher Kleidung sowie der Zusammenführung der jungen Bläser und Trommler kam es im Spätsommer des vergangenen Jahres zur Gründung des Fanfarenzuges. Als begeisterter Förderer trat Herr Albert Jacob auf, den man wohl als den Spiritus rector bezeichnen muss. Er war unermüdlich bei der Sache, von der niemand voraussagen konnte, ob sie zum Erfolg führen würde. An den ersten Übungsabenden im Kaiserhof fanden sich durchschnittlich 15 bis 20 Bläser und Trommler zusammen, aber es sprach sich bei den jungen Männern Alfelds schnell herum, dass hier etwas im Entstehen begriffen war, mit dem man eines Tages würde Ehre einlegen können. Glücklicherweise fanden sich auch Förderer des jungen Unternehmens, der Bürgermeister der Stadt Alfeld setzte sich ein, Spenden kamen zusammen und schließlich auch die eigenen Mitgliedsbeiträge, so dass nach und nach fünfzig Instrumente beschafft werden konnten.
Im Frühjahr dieses Jahres wurden die Übungsabende in den Saal des Landvolk-Cafés verlegt. Nun kann man aber nicht so einfach einem jungen Menschen ein Instrument in die Hand drücken in der Annahme. er werde damit schon fertig werden! Es muss sehr eifrig und intensiv geübt werden. Kapellmeister Lemke erklärte sich erfreulicherweise bereit, die Übungsabende zu leiten. Die Gruppe war inzwischen auf fünfzig Bläser und Trommler angewachsen, und nun kam es erst recht darauf an, auch notengerecht spielen zu können. Es setzte ein heftiger Kampf mit den Noten ein, um auch vierstimmige Sätze spielen zu können. Und rhythmisch musste es auch klappen, es ist begreiflich, dass es ein hartes Ringen war und mancher Schweißtropfen vergossen werden musste. Aber es hat sich gelohnt, die Jungen schafften es! Welch ein Idealismus war aber aufzubringen! Man nörgelt gern über die heutige Jugend, – hier sind nun aber schon einmal fünfzig junge Männer bereit, Opfer auf sich zu nehmen, eine liebenswerte Liebhaberei zu pflegen und anderen Menschen Freude zu machen.
Der sichtbarste Erfolg zeigte sich für den Alfelder Fanfarenzug bei dem Schützenausmarsch im Juli in Hannover, dem alljährlich größten Ereignis der Landeshauptstadt. Beim Schützenausmarsch bekam der Fanfarenzug neben einer schottischen Dudelsackkapelle, die sich aus Berufsmusikern zusammensetzte, den stärksten Beifall. Diesem erfolgreichen Auftreten im hannoverschen Schützenausmarsch ist es wohl mit zuzuschreiben, dass der Fanfarenzug zum Fußball-Länderkampf am übernächsten Sonntag nach Hannover eingeladen wurde.
Wir sind überzeugt, dass die Alfelder Jungen wieder mit großem Erfolg abschneiden werden. Im Niedersachsen-Stadion werden sie Furore machen und damit zugleich für ihre Heimatstadt Ehre einlegen.
Anm. d. Red.: Das Freundschaftsspiel endete mit einem 1:1 unentschieden.
Impressionen weiterer Auftritte des Fanfarenzuges
Das Vereinsleben
Wie aus den obigen Geschichten schon zu entnehmen oder gar zu erahnen ist, kam beim Alfelder Fanfarenzug das Vereinsleben sicherlich nicht zu kurz. Sagen wir es mal so, glaubt man den Erzählungen derjeniegen die dabei gewesen sind oder den Fanfarenzug dabei erlebt haben, ist die Benutzung des Wortes „legendär“ durchaus angebracht…
Die Fotos in der nun folgenden Bildergalerie sprechen da für sich und bedürfen keiner weiteren Worte.
Rekrut mit Fanfaren „abgeliefert“
Den obligaten Persilkarton trugen zwei Damen
So feierlich mit Musik und sogar weiblicher Begleitung ist wohl bisher kaum ein Rekrut zur Bundeswehr eingezogen, wie gestern der Alfelder Hans-Otto Schmidt. Begleitet von 45 Mann des Alfelder Fanfarenzuges, zog er gestern als letzter Rekrut des Tages bei der 4. Kompanie des Versorgungsbataillons 16 in der Ledeburkaserne ein. Am Morgen noch hatte er zusammen mit seinen Kameraden vom Fanfarenzug Alfeld am Schützenumzug in Hannover teilgenommen. Die Kameraden ließen es sich nicht nehmen, ihren jungen Bläser mit schneidigen Märschen auf das Kasernengelände zu begleiten und ihn dort bei dem Ausbilder der 4. Kompanie, Oberleutnant Knoren, vorschriftsmäßig „abzuliefern“. Der junge Rekrut marschierte an der Spitze des Zuges und war von zwei weiblichen Mitgliedern des Fanfarenzuges begleitet, die ihm sogar die Last des obligaten Persilkartons abgenommen hatten. Es gab fröhliches Lachen bei den alten Soldaten und den jungen Rekruten, die mit ihm zusammen ihre Dienstzeit bei der Bundeswehr begannen.
Tambourmajor „Neger“ Jörns vollendet 90. Lebensjahr
Der langjährige Tambourmajor und Leiter des legendären „Fanfarenzuges der Stadt Alfeld (Leine)“ ist am vergangenen Wochenende 90 Jahre alt geworden. Der in Borkum geborene und in Alfeld aufgewachsene Werner Jörns wurde kurz vor Ende des 2. Weltkrieges noch als Soldat eingesetzt, um den Harz zu verteidigen. Er hatte Glück und konnte unbeschädigt zu Fuß nach Alfeld zurückkehren.
Bereits beim Perkfest 1951 und beim Freischießen 1953 (als Feuerwehr-Abteilung) gab es die ersten Fanfarenzug-Auftritte der Junggesellen um Jörns (u.a. Hille, Notdurft, Wiekert, Schlierenkamp, Küster, Papenberg). Pfingsten 1958 begann dann eine regelrechte Erfolgsgeschichte: Der Fanfarenzug mit einer Stärke von 40 bis 50 jungen Männern war jedes Jahr von Mai bis Oktober ausgebucht. Ein Höhepunkt war u. a. der Auftritt während eines Fußball-Länderspiels im alten Niedersachsen-Stadion in Hannover vor über 80.000 Zuschauern. Vorbild und Antreiber für die jungen Trommler und Bläser war „Neger“.
Jörns feierte seinen Geburtstag in kleinem Kreis in Empelde. Seine Kameraden gratulierten ihm und freuen sich auf ihr nächstes Treffen im Mai 2019. Denn dann wird es eine Nachfeier nicht nur für den Tambourmajor geben, sondern auch für den Bläser Werner Hierke, der in Alfeld am 15.12.2018 mit seiner Frau Ingrid die Diamantene Hochzeit feiern konnte.