Katerfrühstück mit Camel und Aspirin – ein Blick in Alfelds wilde Kneipenzeit
Das „frühere“ Alfelder Nachtleben… Einfach nur legendär. Hier suchen wir ganz dringend Film- und Fotomaterial. Bitte alles anbieten – Das wird mit Sicherheit interessant.
Einst galt Alfeld als eine der Städte Niedersachsens mit den meisten Kneipen und dem dritthöchsten Bierverbrauch pro Kopf im ganzen Norden Deutschlands. Lange ist es her. Zwei, die diese Zeiten mitgemacht haben, erinnern sich, schwärmen von unvergesslichen Kneipen – und fachsimpeln, warum es heute so anders ist.
Ein Bier, ein Schnaps und weiter geht es in die nächste Kneipe. Eine solche Runde durchs Alfelds Barszene hätte früher wohl kaum jemand durchgestanden. „Es gab so viele Kneipen hier“, erinnert sich Stadtheimatpfleger Matthias Quintel. Der heute 56-Jährige hat nach eigenem Bekunden seine Sturm- und Drangzeit in der Leinestadt erlebt. „Heute wäre so eine Runde sehr sehr kurz“, bedauert er. Die allermeisten Kultkneipen von einst gehören längst der Vergangenheit an. Mit „Annas alte Liebe“ und „Lounge 7“ sind gerade zwei weitere dabei, sich zu verabschieden. Eine jüngere Kultkneipe hingegen, die stemmt sich gegen den Trend: die Haifischbar.
Vom Speiselokal zur Kultkneipe
2020 hat sich Stefan Krentz mit dem Laden einen Traum erfüllt. Zunächst war das Speiselokal Alt-Alfeld in den Räumen nahe des Rathauses, 2017 übernahm Krentz das Lokal. Die Coronazeit nutzte er dann, um die Haifischbar einzurichten. Eine Kneipe ganz nach seinem Geschmack. „Wie früher“, sagt der 63-Jährige. Hier kommen die Menschen zusammen, um sich zu treffen, um zu klönen, ob beim Kaffee oder bei einem Bierchen. Seit Januar hat er auch ein paar Gerichte im Angebot, seit Rosi Klingeberg bei ihm kocht. Rosi von „Rosis Treff“, auch eine Kneipe, die inzwischen geschlossen hat.
Quintel und Krentz kennen die alten Alfelder Kneipenzeiten aus eigener Erfahrung. „Das war ganz normal, dass man in die Kneipe gegangen ist und Freunde getroffen hat“, erzählt Quintel. Und das nicht nur am Wochenende. „Manchmal auch zu Zeiten, zu denen man eigentlich in der Schule sitzen sollte“, sagt Quintel. „Alfeld gehörte damals zu den Städten Niedersachsens mit den meisten Kneipen“, ergänzt er. Er pflegt eine Webseite, die unter anderem an die Kneipen erinnert, die unvergessen sind. Zum Beispiel an den Tanzpalast, in dem bis 1986 fleißig getanzt und gefeiert wurde, und in dem auch Quintel Stammgast war. „Die einzig wahre Disco“, schreibt er dazu auf der Webseite. Wo Quintel und seine Freunde früher getanzt haben, sind längst Einzelhandelsflächen entstanden. Aktuell hat dort Mäc-Geiz eine Filiale, allerdings nur noch wenige Tage.
Die Stammlokale von einst
„Die meisten von uns hatten so ihre Stammlokale“, erinnert sich Krentz. Er selbst hielt der Destille seine Treue. „Aber ich war eigentlich überall unterwegs“, sagt der Gastronom. Im Anno Tobak, im Merlin, im 5th Avenue, nennt er eine Reihe von Namen, die ihm spontan einfallen. Man habe gewusst, wen man wo treffen konnte. Schon morgens zog es ihn gerne in die Destille. „Zum Katerfrühstück: Kaffee, Aspirin, kleines Glas Wasser, eine Camel ohne Filter und ein Päckchen Streichhölzer“, schwärmt Krentz.
Doch die Kneipenkultur sterbe, seit Jahren und längst nicht nur in Alfeld. „Zum einen haben die Menschen weniger Geld, alles ist teurer geworden“, versucht Quintel einen Erklärungsversuch. Krentz pflichtet ihm bei, vor allen Dingen das Bier sei mächtig im Preis gestiegen. Früher gab es ein BIer ab 80 Pfennig, heute nicht mehr unter 3,50 Euro. „Alfeld gehörte früher zu den Städten mit dem dritthöchsten Bierverbrauch pro Kopf im Norden Deutschlands“, erzählt Krentz. Wie es aktuell um diesen Wert steht, weiß er nicht. Aber im Ranking würde Alfeld sicher nicht mehr so weit oben stehen. Dabei gehe es beim Kneipenbesuch nicht ausschließlich darum, ein, zwei oder drei Bier zu trinken. Es gehe doch vielemehr um die Geselligkeit.

Die Menschen hätten sich schlicht verändert. „Heutzutage geht man eher essen“, sagt Krentz. Die jungen Leute würden sich lieber privat treffen, so Quintel. Da blieben die Bars entsprechend leer. Die Haifischbar nicht. Ab 20 Uhr sei in der Regel reger Betrieb, am Wochenende nicht selten bis in den frühen Morgen. Krentz hofft, dass sich vielleicht doch noch jemand für „Annas alte Liebe“ finde und auch die „Lounge 7“ eine Zukunft habe. Dann lohne sich zumindest eine kleine Kneipenrunde in Alfeld weiterhin.
Quelle: Ulrike Kohrs, Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 16.05.2025