Zur Geschichte

Feuersbrunst 1846

Es ist der 2. Juni 1846. Strahlend hat die Sonne den ganzen Tag vom Himmel geschienen, und jetzt, abends 8 Uhr, ist es immer noch warm und so schön, dass sich noch viele Alfelder auf den Feldern und in den Gärten draußen vor den Toren aufhalten.

Plötzlich ein Ruf: Feuer ! Feuer !

Man sieht eine Qualmwolke aufsteigen, dort, wo der Rollberg in die Leinstraße mündet.

Größer wird sie, immer größer !

Und nun sind auch Flammen zu sehen. Mit rasender Geschwindigkeit breiten sie sich aus.

Entsetzen packt alle, die noch draußen sind. Man muss heim, schnell heim.

Die Glocken der Nicolaikirche läuten „Feuer“, das Feuerhorn tutet.

Alle eilen, laufen, lassen alle Gartengeräte liegen, lassen sogar die Arbeitspferde draußen auf dem Feld. Nur schnell nach Hause, wo in der Diele der Ledereimer hängt, den man braucht, um die Eimerkette zu bilden von der Pferdeschwemme auf dem Markt zur Brandstelle.

Immer mehr Menschen treffen am Unglücksort ein. Einige Zimmerleute versuchen, brennende Fachwerkgerippe mit ihren langen Feuerhaken einzureißen. Die Schmiede mit den beiden großen Spritzen sind einsatzbereit. Von außerhalb rücken nach und nach noch Spritzen an, so dass es insgesamt 36 sind.

Wenn man doch näher an das Feuer herankönnte !

Eine so gewaltige Hitze hat sich entwickelt, dass kaum etwas zur Rettung getan werden kann. Zu schnell frisst sich der Feuersturm weiter, ein Haus nach dem anderen wird sein Opfer.

Weithin leuchtet die brennende Stadt in die dunkle Nacht. Der vom Feuer gerötete Himmel ruft lauter um Hilfe als das Sturmgeläut der Kirchenglocken.Als der nächste Morgen graut, ziehen immer noch dichte Rauchschwaden durch die Stadt. Aber die Gefahr ist gebannt. Nur vereinzelt flackern noch Brände, die von erschöpften Menschen bewacht werden. 104 Wohnhäuser liegen im Schutt, mit ihnen die Schuppen, Stallungen und Scheunen. Alles ist nur noch ein großer rauchender Aschenhaufen. Viel Vieh ist in den Flammen umgekommen, aber glücklicherweise ist kein Menschenleben zu beklagen. 700 Alfelder haben ihr Heim verloren, aber alle Obdachlosen finden Unterkunft, teils in den unversehrten Häusern Alfelds, teils in den benachbarten Dörfern. Und von allen Seiten kommen Geld- und Sachspenden. So braucht keiner zu hungern und zu frieren.
Noch im selben Jahr begann man mit dem Wiederaufbau. Bis zum Herbst waren 90 Häuser neu errichtet. Der Rollberg wurde dabei auf die Breite der heutigen Marktstraße gebracht. Alle übrigen Straßen behielten dagegen ihre ursprüngliche Richtung und Breite, und die neuen Häuser erstanden auf den alten Kellergewölben.

„Die Häuser bildeten für die gierigen Flammen einen willkommenen Fraß“, schreibt Heinze in seiner „Geschichte der Stadt Alfeld“.

Der Bau der Häuser war wirklich nicht auf Brandschutz ausgerichtet. Da war das leicht brennbare Balkengerüst, das zuerst aufgestellt wurde. Die Gefache dazwischen, mit Weidengeflecht ausgefüllt und mit Lehmschlag beworfen, boten den Flammen auch kein Hindernis. Brandmauern, wie sie heute zwischen den Häusern Pflicht sind, fehlten völlig. Gerade, dass man auf gemauerte Schornsteine Wert legte. Aber brannte es einmal, so konnte das Feuer ungehindert von einem Haus auf das nächste übergreifen. Für die Brandbekämpfung musste jeder Hauswirt einen Ledereimer gut sichtbar in der Diele aufhängen. 1799 gab es davon in Alfeld 257 Stück. Außerdem waren 2 Spritzen, die mit Pumpen zu bedienen waren, vorhanden, vier hölzerne Spritzen, 12 Feuerhaken, 10 Feuerleitern und 12Wurtschaufeln.

1873 brannten in der Paulistraße fünf Häuser ab. Dabei kam der Fabrikschmied Oelmann mit Frau und 5-jährigemTöchterchen ums Leben, was alle Bürger so erschütterte, dass noch im selben Jahr eine Freiwillige Feuerwehr gegründet wurde. Sofort traten 99 Männer der Wehr bei. Sie wurden von nun an gründlich ausgebildet.

Feuerordnung für Alfeld

Pest, Wasser und Feuersnot waren die schlimmsten Geißeln des Mittelalters. Mit bescheidenen Mitteln versuchten die Menschen sich gegen diese schrecklichen Mächte zu schützen. In den engen Städten mit ihren dicken Ringmauern und Wällen waren die großen Katastrophen jedoch allzu oft unvermeidbar. Beim Blättern in alten Chroniken der Wehren wird man aber nicht nur die Einfachheit des Brandschutzes im Mittelalter gewahr, sondern muss mit Schrecken feststellen, dass es auch uns heute schwer fällt, in dieser hochtechnisierten und unüberschaubar gewordenen Welt den Katastrophenschutz zu vervollkommnen.

Die Geschichte mittelalterlicher Städte ist auch immer eine Geschichte schwerer Brände, denn hatten Herdfeuer oder Kerzenlicht erst einmal ihre Freiheit, so war es meist um Haus und Hof geschehen. Kein Wunder, dass es in allen Städten sehr strenge Statuten über den Umgang mit offenem Feuer gab.

Die erste erhaltene Feuerordnung für Alfeld ist vom 25. 8. 1775 datiert, sie greift einerseits Bestimmungen auf, die bereits 1650 in den Stadt-Statuten stehen, und trifft andererseits neue Anordnungen. Hier einige Auszüge: „Jeder Hauswirt soll einen Ledereimer anschaffen, der sichtbar in der Diele aufzuhängen ist. Der Schmied bedient die Spritze. Die Zimmerleute sollen an brennenden Häusern postiert werden, um sie gegebenenfalls sofort einzureißen. Wer plündert, wird zwei Stunden öffentlich angeschlossen (am Pranger) auf dem Marktplatz. Alle Löschgerätschaften sind zu Lichtmeß und zu Michaelis zu visitieren.“

Der Stadtbrand von 1846 und seine Folgen

Wie jede Fachwerkstadt erlebte auch Alfeld zahlreiche Brände, die das Ortsbild dann merkbar veränderten. Die größte Brandkatastrophe ereignete sich 1846. Der Brand vom 2. Juni 1846 begann an der Ecke Lein- und Marktstraße und legte innerhalb weniger Stunden 104 Wohnhäuser mit Nebengebäuden in Schutt und Asche. Noch vor Einbruch des Winters standen 90 Häuser wieder im Gerüst, während der weitere Wiederaufbau des westlichen Stadtbereiches bis 1847 erfolgte.

Ende Oktober 1846 lag eine Bauordnung vor, die erstmalig in die Gestaltung der Straßen, der Haupt- und Nebengebäude und Höfe eingriff.
Genehmigt werden mussten sogar die Back- und Brennöfen, Braupfannen, „Brannteweinsblasen“, Schmiedeessen, Öfen, Kamine, Feuerherde usw.. Auflagen gab es ferner für Brandmauern, Schornsteine, Brunnen, Lohgruben, Cloaken, die Dachdeckung, Regenwasserabflüsse, Luken, Torwege usw. Man errichtete die meisten Neubauten auf den alten Gewölben, lediglich der Rollberg, den wir heute Marktstraße nennen, wurde verbreitert, die Warne abgedeckt und erst im Zuge der Stadtsanierung 1989 wieder freigelegt.

Die Warne wurde in ein massives Bett von Steinplatten gelegt, erhielt Überwölbungen und Überfälle und einen trapezförmigen Querschnitt mit 31/2 Fuß oberer und 21/2 Fuß unterer Weite als Normalprofil. Die nächste städtische Bauordnung erschien 1912 unter dem Titel: „Ortsstatut gegen die Verunstaltung des Stadtbezirks Alfeld“, worauf zwei Jahre später ein Bebauungsplan folgte. 1974 erschien dann die „Ortssatzung über die Gestaltung der Innenstadt und zur Erhaltung historischer Bauwerke in der Stadt Alfeld (Leine)“. Hiermit wurde erneut der Versuch gemacht, die Individualität der ehemaligen „Perle des Leinetals“ zu erhalten – eine von vielen anerkannte stetige Aufgabe. Im 19. Jahrhundert änderten sich die bisherigen städtischen Strukturen und damit auch das Ortsbild.

Quelle: Text: Lebendige Vergangenheit – Alfeld im 19. und 20. Jahrhundert – Gerhard Kraus