Gewerbebetriebe

AWA-Couvert

Im Jahre 1923 gründete Herr August Wegener aus Langenholzen, der bei der Fa. Dobler das Druckerhandwerk erlernt hatte AWEL und begann mit der Gummierung von Zigarettenblättchen.
Nach 5 Jahren wurde die Firma umbenannt und hieß dann Hannoversche Gummieranstalt.
Vier Jahre später hat Herr Wegener die Selbstklebepostkarte erfunden, d.h. die Karte wurde eingespannt, Adresse, Text, alles ein Arbeitsgang, dann die Karte aus der Schreibmaschine nehmen, Durchschrift abreißen, umknicken, selbstklebend, fertig zum Frankieren. Diese bedeutete für die Langenholzener Firma einen starken Aufschwung. Inzwischen wurde ein neues Werk am Heiligenhölzchen gebaut. Bei Kriegsausbruch waren 80 Mitarbeiter beschäftigt.
Währen des Krieges schrumpfte die Mitarbeiterzahl auf 15 herunter, die hauptsächlich mit der Anfertigung von Feldpostbriefen beschäftigt waren. 1945 musste das Werk für die Britische Besatzungsmacht Briefmarkenpapier herstellen. Durch das Know-how welches man sich dabei angeeignet hatte, erhielt man im Jahre 1949 vom Bundespostministerium den Auftrag für die Herstellung der 2 Pfennig Notopfermarken Berlin. Ab 1950 wurde die Herstellung von Selbstklebeumschlägen aufgenommen. Durch den Aufschwung, der damals durch die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft entstand, brachte es Fa. A WA auf einen Beschäftigten-Stand von 400 Mitarbeitern.

Text: Wilhelm Krösche, Alfeld

1951

Bau der „neuen“ Fabrikhalle in den 50ern

Luftbild aus den 60er Jahren

AWA-Couvert im Jahre 1983 – Ein kurzer Film

 

Erfolg durch unternehmerische Beweglichkeit

Der Besucher, dessen Wagen vor der gewaltigen Glastür des Betriebsgebäudes der Hannoverschen Gummier-Anstalt August Wegener in Alfeld hält, hat angesichts dieses sauberen modernen Bauwerks mit den großen Fenstern unwillkürlich den Gedanken: hier muss es Freude machen, zu arbeiten. Beim Eintreten durch das Portal erkennt man schon in der geräumigen Halle mit der wundervoll geschwungenen Treppe eine ideale Verbindung von künstlerischem Formgefühl und höchster Zweckmäßigkeit.
Der Bau erinnert in seiner Gestaltung etwas an das Bonner Bundeshaus: klare Linien, kein überflüssiger Luxus—und darum sofort ansprechend wirkend. In seinem Arbeitszimmer empfängt den Besucher der Chef des Unternehmens, August Wegener. Mittelgroß, schlank, beweglich — man sieht ihm seine sechzig Jahre nicht an. Wenn August Wegener von der Entwicklung seines Werkes erzählt, so spricht er ruhig und sachlich, aber man spürt den berechtigten Stolz auf das Geschaffene. Am 14. April 1892 wurde er hier in Langenholzen bei Alfeld an der Leine geboren. Nach der Schulzeit wendet er sich dem Papierfach zu. Stationen: Alfeld, Berlin, Frankfurt (Main), Haynau (Schlesien),Mannheim, Duisburg, Düsseldorf. Überall lernt und beobachtet er. Am 1. Mai 1923 — die Inflation ist auf dem Höhepunkt — macht sich August Wegener in Langen holzen mit einem Papierverarbeitungsbetrieb selbständig. Mit zwei weiblichen Hilfskräften stellt er Zigarettenpapier zum Selbstdrehen von Zigaretten her. Das Geschäft lässt sich gut an.

Im November 1923 sind schon 20 Hilfskräfte erforderlich, um der Nachfrage zu genügen. Aber dann kommt über Nacht die Rentenmark und die Erhöhung der Steuer für Zigarettenpapier: von 50 Papiermark auf 7,5 Billionen Papiermark = 7,50 Rentenmark! Das ist das 150-Milliardenfache. Der Betrieb scheint erledigt. Doch August Wegener lässt sich nicht unterkriegen. Die Gummiermaschine wird umgebaut für die Herstellung von Naßklebe-Postkarten. Man sucht einen neuen Kundenkreis, und langsam geht es wieder bergauf. Im Oktober 1926 siedelt der Betrieb nach Hannover über. Die Firma heißt jetzt: „Hannoversche Gummier-Anstalt August Wegener“. Es geht voran. Nach drei Jahren sind die Arbeitsräume zu klein, und am 1. Oktober 1929 zieht man wieder nach Langenholzen zurück, in neu erbaute Räume. 1931 werden nach langen Versuchen die ersten Selbstklebe-Postkarten fabriziert. Sie werden entscheidend für den weiteren Aufstieg. Umsatz und Kundschaft wachsen. Im Sommer 1933 muss abermals gebaut werden; der Betrieb wächst damit auf das Vierfache seiner bisherigen Größe. Die Belegschaft beträgt in diesen Jahren 60 bis 70 Köpfe.

Am 1. August 1938 erweitert August Wegener den Betrieb durch Ausbau einer stillgelegten Weberei, die er gekauft hat. Das Geschäft entwickelt sich immer rascher, bis der zweite Weltkrieg beginnt.
3. September 1939. Telegramm aus Berlin: „Herstellung von Selbstklebe-Postkarten ab sofort verboten!“ Sofort wird die Maschinenanlage umgebaut; eine Woche später kommen Nassklebe-Postkarten auf den Markt, die einen guten Absatz finden. Zum 1. Juni 1940 aber soll die Produktion auf höhere Anweisung eingestellt werden. August Wegener verhandelt mit zahlreichen Stellen und setzt es schließlich durch, dass er mit „nicht einsatzfähigen“ Kräften weiterarbeiten darf. Statt 75 geschulter Fachkräfte sind es jetzt 13 ungelernte! Durch energischen Rationalisierung-Umbau einer großen Gummieranlage auf Rotation — gelingt es, trotzdem mit voller Leistung zu arbeiten. Aus Berlin kommen Aufträge auf Riesenmengen von Feldpostbriefen, später auch auf Faltbriefe für die Wehrmacht. Alles wird geschafft. —

Beim Zusammenbruch 1945 ist das Werk zwar unbeschädigt, aber es gibt weder Rohstoffe noch Kohlen. Eine schwere Zeit der Improvisation bricht an. Man fabriziert, soweit möglich, wieder Friedensbedarf und stellt sich außerdem auf Herstellung gummierter Papiere und Kleberollen ein. Aber erst 1949 kann August Wegener die Fabrikation der bewährten Selbstklebe-Postkarten wieder aufnehmen. Das Vertreternetz wird ausgebaut und das Programm auf Selbstklebe-Banderolen und Selbstklebe-Briefumschläge erweitert. Man arbeitet in drei Schichten — wieder sind die Räume zu eng. Da fasst August Wegener seinen kühnsten Plan: ein neues, nach modernsten Gesichtspunkten ausgerüstetes Werk zu errichten, das die Raumnot auf lange Zeit beseitigt und allen Mitarbeitern ideale Arbeitsräume bringt. Nach Wegeners Wünschen arbeitet ein bekannter Hildesheimer Architekt die Pläne aus. Im Juni 1950 wird der Grundstein gelegt, und bereits im Mai 1951 kann das neue Werk bezogen werden. Die Maschinen, darunter viele selbst konstruierte, laufen an. Ein neuer Abschnitt beginnt.
Das heutige Fabrikationsprogramm umfasst Selbstklebe-Postkarten, von denen bisher mehr als eine Milliarde hergestellt wurden, Selbstklebe-Briefumschläge und -Banderolen aller Art für Verpackungszwecke, ferner gummierte Papiere in Bogen und Bobinen, Kleberollen, Rabattmarken und sonstige Wertmarken. Beliefert werden Buchdruckereien und Fachgeschäfte im Bundesgebiet. Außerdem wird für den Export nach Europa und Übersee gearbeitet. „Leicht war es nicht“, so schließt August Wegener seinen Bericht, „denn das erforderliche Kapital
musste immer wieder durch Energie, Fleiß und Ausdauer erarbeitet werden. Viel verdanke ich meinen treuen Mitarbeitern, die auch in schweren Zeiten zu mir hielten. Nur so war es möglich, das Werk aus kleinsten Anfängen erfolgreich auszubauen.“

Heute ist das Unternehmen auf seinem Gebiete führend; in dem neuen, etwa 3000 qm großen Werk, das einen Kostenaufwand von rund einer halben Million D-Mark erfordert hat, arbeiten jetzt 100 Fachkräfte unter außergewöhnlich günstigen Arbeitsbedingungen.
Fragt man den Chef schließlich noch nach seiner Liebhaberei in den Freistunden, so lächelt er: „Meine Leidenschaft ist mein Werk! Und Freizeit habe ich nur wenig. Aber einen kleinen „hobby“ habe ich doch: fotografieren!“ Sein Sohn Günther hilft ihm die steigende Arbeitslast tragen. Er soll einmal das Werk fortsetzen – im Sinne seines Vaters.

HANNOVERSCHE GUMMIER-ANSTALT AUGUST WEGENER GMBH • ALFELD / LEINE

Quelle: Köpfe und Kräfte im Land Niedersachsen 1952