Die St.-Nicolai Kirche

und die Ferienpaßaktion, sie gehören in jüngster Zeit zusammen. Die Ferienpaßaktionen sind Veranstaltungen in der Stadt Alfeld für Kinder, die nicht in Urlaub fahren können. Gerade bei diesen Schülerbesuchen – auch mit interessierten Eltern – kann das alte, ehrwürdige Gotteshaus eindrucksvoll vorgestellt werden.

Es lohnt sich wirklich, mal hineinzuschauen, wie da auf den gepolsterten Bankreihen jung wie alt mit glänzenden Augen beisammensitzt, wenn über diesen gewaltigen Bau berichtet wird. Ja, erzählt wird nicht so trocken wie bei einem Museumsbesuch. Zwar ist auch hierbei so vieles nachdenkenswert. Wenn man da erfährt, dass vor fast 700 Jahren an dieser Stelle ein anderes Gotteshaus gestanden hat, welches aber wegen Einsturzgefahr abgerissen werden musste, um einem Umbau Platz zu machen. Und wenn dann gesagt wird, wie schwer das damals war. Da gab es keine Baumaschinen, Kräne, Stahlgerüste oder gar Lastautos. Im Gespanndienst wurden all die Baumaterialien der damaligen Zeit herangefahren von Bauern und Bürgern dieser Stadt, verwendbare Steine wurden aufeinander gefügt, um dieses hohe Bauwerk zu erstellen.

St. Nicolai war früher eine Bischofskirche, und es wurden vom Bistum in Hildesheim seinerzeit zum Bau dieser Kirche Materialien wie auch Zahlungen geleistet.

Ja, da gehen die Zuhörer begeistert mit, wenn im Inneren der Hallenkirche auf die Rundbögen und die Pfeiler, die sie tragen, und auf die Romanik im Querschiff hingewiesen wird, um dann hinüberzuführen zur Gotik mit den Spitzbögen im Gewölbe und an den Kirchenfenstern. Hier ragen stützend schlanke Säulen empor. Von ihnen gehen die Gurtbögen hoch hinauf bis zu den ca. 11 m hohen, buntbemalten Schlusssteinen, die der Decke einen guten Halt geben.Herabhängende Messingleuchter, von den damaligen Gilden gestiftet, füllen die Freiräume der Seitenschiffe bestens aus. Mit einem Ratespiel kann man die weitere Aufmerksamkeit anregen, denn auf der Empore über dem Haupteingang steht die wunderschöne Orgel. Auf die Frage: „Wie viel Pfeifen mögen das wohl sein?“ gehen die Antworten in Zahlen rauf und runter, bis die richtige Zahl 2500 alle in Erstaunen versetzt.
Wir aber gehen nun weiter in den erhöhten Altarraum, vorbei an der Kanzel mit den vier Evangelisten Lukas mit dem Stier, Matthäus mit dem Engel, Markus mit dem Löwen, Johannes mit dem Adler und stehen nun vor dem Altar aus rotbuntem Wesersandstein. Schlicht, aber erhaben ist er mit seinem Bronzeaufsatz und den wertvollen Leuchtern und mit dem Dornenkreuz darüber. Prachtvoll wirken dahinter die großen Buntglasfenster mit dem davorstehenden Taufstein und dem Osterleuchter. Hier entdecken wir auch beim Rundgang den heiligen St. Nicolaus, den Behüter der Kinder und Kaufleute. Vieles gibt es über den Bischof aus Myra im alten Kleinasien zu erzählen.
Den wohl schönsten Raum in der Kirche dürfen wir nicht vergessen, die Sakristei mit der sehr alten Altarplatte, den Seitenleuchtern, dem Taufstein und dem Aufbewahrungsschrank für die Abendmahlsgeräte. Weinkrüge, Kelche, die Hostienbüchse mit dem Teller dazu sind Spenden von Gemeindegliedern älterer Zeit. Über der Sakristei, in deren Mitte eine prächtige Säule die Decke stützend trägt, befindet sich ein Raum, Prieche genannt, der jetzt durch eine Wendeltreppe wieder nutzbar gemacht werden soll.
Wir werfen noch einmal einen Blick zur Orgelempore, an deren Vorderfront künstlerische Nachbildungen aus dem Leben Christi der Nachwelt überliefert sind. Die Originale stammen von einem italienischen Maler. Sie bilden eine farbenfrohe Überleitung zum Orgelprospekt.

Bevor wir durch die Steinbergkapelle die Kirche verlassen, richten wir unseren Blick empor zu dem wohl wertvollsten Stück – dem Triumphkreuz – aus frühgotischer Zeit um 1300. Hier hinterließ uns der Holzschnitzer ein nachdenkenswertes Werk. Wir sehen den Gekreuzigten und darunter eine Szene aus dem Alten Testament, wie Abraham seinen Sohn Isaak opfern soll. Ehe wir die Außentür der Steinbergkapelle öffnen, werfen wir noch einen Blick auf die zahlreichen alten Grabsteine und die Gedenkstätte für die Gefallenen der Weltkriege.

Vor uns liegt nun der Freiplatz um die Kirche, auf dem früher der Kirchhof gelegen war. Doch bevor die Turmtür aufgeschlossen wird, stellen wir an der alten Sonnenuhr im Schlagschatten die Zeit fest, es ist 1/2 5 Uhr, also noch Zeit für die Turmbesteigung. Rund 150 Stein- wie Holzstufen müssen wir erklettern und wundern uns über die weit über 2 m dicken Außenmauern. Erster Halt ist im Vorraum der über 100 Jahre alten Turmuhr, die noch zweimal wöchentlich per Hand aufgezogen werden muss. Dort war früher der Raum, wo die Glocken an Seilen geläutet wurden. Hier werfen wir auch einen Blick auf das mächtige Gebälk, das das Kirchendach trägt (gut 20 mal 40 Meter). Dann geht es höher in die Glockenstube, wo vier Glocken hängen. Eine davon dürfen wir beim Schwingen mit beobachten, wie der Klöppel mit Motorkraft getrieben an den Glockenmantel schlägt. Die älteste Glocke, 1468 aus Bronze gegossen, ist mit einer Inschrift und einer Figur des St. Nicolaus verziert. Aber wir wollen ja noch höher hinauf bis in das alte Türmerstübchen. Hier gibt es eine verdiente Ruhepause und den wunderbaren Rundblick durch die kleinen Fensterchen. Da erkennt man erst, wie klein doch der Mensch da unten ist. Wie Spielzeug stehen die Häuser und Bäume aufgereiht. 2 Turmglocken sind außen in unmittelbarer Nähe angebracht. Sie sind über Drähte mit der Turmuhr verbunden, so lösen sie auch die Zeitanschläge aus. Noch höher hinaus ragen wie zwei Schultüten die beiden schiefergedeckten Turmspitzen ca. 60 m hoch in den Himmel, ein Wahrzeichen unserer Stadt.

Als Dachreiter sitzt das kleine Evangelientürmchen mit der Vaterunser-Glocke über dem Chorraum.
Zu schnell, aber doch ausgefüllt waren wir wieder auf dem Erdboden, ohne Fledermäusen, Käuzchen oder Falken zu begegnen. Nur noch das leise Klappern der Schieferplatten haben wir in den Ohren. Oben umkreisen nur die Tauben das Turmrevier. Mit dem Abendgeläut verabschiedet sich der Küster. Und nochmals schweift der Blick hoch hinauf, wo wir eben noch waren, und so mancher Besucher faltet da seine Hände bei der Glocke Klang: „vivos voco“, die Lebenden rufe ich!

Quelle: Hugo Stiller (Küster im Ruhestand) aus Alfelder Geschichten, 1983