Die Hasselberg-Streiche 1

Die Gebrüder Hasselberg

Die Hasselbergs sind eng mit den lustigen Geschichten aus Alfeld verbunden. Sie sollen hier anklingen, denn man kann wirklich sagen, was wäre Alfeld ohne den Einfallsreichtum der Gebrüder Hasselberg gewesen. Die Familie Hasselberg siedelte zwar vom Marktplatz zur Holzerstraße über, aber da sie am Alfelder Markt geboren sind, sollen auch hier einige ihrer lustigen Geschichten erzählt werden.
Für die Gebrüder Hasselberg war an den Feierabenden der Stammtisch im Ratskeller auch ein Anziehungspunkt, an dem sie ihre wirklich einmaligen Ideen zum Besten gaben.

Stabsarzt Hasselberg

Willi Hasselberg versah für seine Firma den Außendienst, weil die Firma selbst zu den Zeiten nie einen eigenen Wagen besaß. Nach dem Kriege fuhr ihn Erni Kuehne im so genannten ‚Dienstfahrer-Verhältnis‘. Eines guten Tages, auf einer Geschäftsreise, kommen sie nach Detmold und wohnen im Detmolder Hof und er habe nie einen Fahrer bei sich, sondern das war sein Freund Erni Kuehne. Sie saßen am Tisch und aßen.

Der Willi Hasselberg spitzt die Ohren und lauscht zum Nachbarn. Da sitzt ein Vater mit seinem Sohn. Beide machen ein recht betrübliches Gesicht und lassen bekümmert die Ohren hängen. Neugierig, wie Willi Hasselberg ist, wendet er sich zum Nebentisch: „Sagen Sie, meine Herren, geht es Ihnen nicht gut?“ Und da saß er auch schon halb am Tisch drüben. Da erzählt ihm der bekümmerte Vater, dass er mit seinem Sohne beim Detmolder Bezirkskommando gewesen ist, zur Musterung. Der Sohn war wahrscheinlich einigermaßen krumm gewachsen und war nicht als ‚kv‘ durch die Musterung gekommen. Das betrübte beide. „Gott“, sagte Willi Hasselberg, „Das ist mir ja unverständlich. Ich hin Stabsarzt Hasselberg, »Wollen wir der Sache doch mal auf den Grund kommen.“ – „meinen Sie, dass Sie als Stabsarzt daran noch etwas ändern können?“ – „Aber selbstverständlich! Wohnen Sie hier im Hotel? Ja? Passen Sie mal auf. Gehen Sie mal rauf mit Ihrem Sohn aufs Zimmer. Ihr Sohn soll sich schon entkleiden. Ich bringe meinen Koffer mit und dann will ich mal Ihren Sohn untersuchen, ob sich der Musterungsarzt nicht getäuscht hat.“ Die beiden ziehen hoffnungsvoll von dannen.

Nach kurzer Zeit erscheint Willi Hasselberg dort oben, assistiert von Erni Kuehne, der ihm den weißen Arztmantel besorgt hat. jedenfalls haben sie sich noch eine Waage organisiert, und gemessen wurde mit dem Zentimetermaß vom Scheitel bis zur Sohle. Dann betätschelte er ihn und beklopfte ihn und sagte: „Ziehen Sie sich wieder an und kommen Sie runter.“ Unten sitzen die vier zusammen an einem Tisch. Vater und Sohn sind riesig gespannt auf das Ergebnis dieses freundlichen Stabsarztes, Willi Hasselberg sagte dann: „Ihr Sohn ist völlig gesund. Der wird kv geschrieben. Ich werde mich selbst mit dem Arzt der Untersuchungskommission in Verbindung setzen. Fahren Sie ruhig nach Hause. Geben Sie mir noch mal Ihre Anschrift. Ich kümmere mich drum. Sie bekommen dann vom Wehrbezirkskommando Bescheid.“ Darauf rief der Vater dieses Jungen, beide beglückt: „Sekt, Sekt, Sekt!“ Dann haben sie auf Kosten des beglückten Vaters bis 6.00 Uhr morgens gesoffen. Alle vier völlig betrunken. Die Geschäftstour, die Willi Hasselberg und Erni Kuehne am nächsten morgen vorhatten, musste selbstverständlich ausfallen.

Willi Wendt wird Schofför

Was wären wir ohne die Menschen, die uns durch ihre humorvollen Einfälle die Buntheit und heitere Seite des Lebens zeigen? Es gibt diese Persönlichkeiten in allen Schichten der Bevölkerung. Willi Wendt gehörte dazu. Er war groß und stark, war im Krieg schwer verwundet worden, ließ sich aber nicht unterkriegen. Immer hatte er ein Scherzwort oder eine drollige, von ihm erfundene Geschichte für seine guten Bekannten und Freunde bereit, wenn er sie auf der Straße traf oder wenn er am Stubenfenster saß und sie mit einer kleinen Handbewegung heranwinkte. „Ich soll dich von meiner Tante grüßen“, sagte er einmal zu mir, als er mich entdeckte, ,,sie hat geschrieben.“ Als ich verdutzt fragte: ,,Kennt sie mich denn?“, erwiderte er mit todernstem Gesicht: „Im Brief steht: Grüß alle!“ Willi hatte mich mal wieder genarrt, das Gelächter war groß.
Lange vor dem Kriege, als es noch wenige Autos gab, bewarb sich Willi als Schofför bei der Firma Hasselberg, deren Inhaber August und Wilhelm besonders viel Sinn für Humor hatten und im geeigneten Augenblick den Schelm im Nacken hatten. Über ihre vielen Spaße lacht man heute noch. Als sich unser Freund Willi zum ersten Mal bei Wilhelm Hasselberg in der Holzer Straße meldete, sagte dieser zu ihm: ,,So, Sie sind Wendt und möchten bei uns gern Schofför werden. Gut, dann muss ich Sie aber wegen der vielen und wichtigen Geschäftsreisen einer Intelligenzprobe unterziehen. Auf dem Hof steht ein Fahrrad, radeln Sie damit sofort zum Güterbahnhof, wo ein Waggon mit Stecknadeln für unsere Firma angekommen ist und prüfen Sie diese auf Vollzähligkeit!“
Willi Wendt verzog keine Miene, schnappte das Fahrrad und radelte gleich los, stieg aber bereits am Marktplatz, an dem sich früher eine Schlachterei und Gastwirtschaft Rasche befand, ab, schloss das Rad ab und nahm in der Gaststube unter fröhlichen Zechern Platz, wobei ihm der Wirt eine Schlachteplatte und die nötigen Biere servieren musste . . . Am späten Nachmittag meldete sich Willi bei der Firma zurück, diesmal mit der Meldung: „Herr Hasselberg, Ihren Auftrag habe ich ausgeführt, der Waggon ist
vollzählig, es fehlen lediglich drei Stecknadeln.“ Diesmal verzog Herr Hasselberg keine Miene und bemerkte nur: „Sehr gut, Wendt, Sie sind eingestellt!“ Als Willi seine Rechnung von der Schlachterei und Gastwirtschaft aus der Jackentasche zog und sie Herrn Hasselberg präsentierte, konnte er doch ein lustiges Blinken in den Augen erkennen. Verständnisvoll klopfte ihm Hasselberg auf die Schulter und bezahlte ohne Murren die Spesenrechnung. Beide gingen später miteinander durch dick und dünn und hatten gemeinsam noch viele Erlebnisse.

Quelle: Otto Granzow aus Alfelder Geschichten, 1983

Es kursiert aber auch noch eine weitere Variante dieser Geschichte. Welche ist wohl die richtige ??? Wir wissen es nicht.

Da ist die Geschichte gewesen, wo unser Hasselberg Willi Wendt eingestellt hatte, der an Pfiffigkeit und Bauernschläue den beiden durchaus nicht unterlegen war.
Als er sich bewarb um die Stelle als Fahrer, hat August und Willi gesagt: „Kommen Sie mal her. Ich will Ihnen zeigen, was bei uns so anfällt.“ Dann sind sie in den Keller gegangen. Da standen so riesige Kartons mit so großen Stecknadeln. Ich weiß nicht, was sie damit gemacht haben. „Das gehört zu Ihrer Aufgabe. Die müssen Sie zählen, denn wir machen jetzt gerade Inventur.“ Da war ein riesiger Karton von einmalein Meter. Dann sind die beiden nach oben gegangen und haben gedacht: mal sehen, wie lange der so zählt. Es war inzwischen so 10.00 Uhr, Frühstückszeit. Dann gingen sie hier zu dem Schlachter Rasche, und wie sie dahin kommen, da sitzt da Willi Wendt und schneidet quer. Er hatte schon so etliche Bierchen auf seinem Tisch, und da fragt der Hasselberg: „Was machen Sie denn hier?“ Der sagt: „Ich hin fertig.“ – „Wieso? Wie viel sind es denn?“ – „Zweimillionendreihundertfünfundsiebzigtausendfünfhundertundneunundachtzig. Zählen Sie doch nach, wenn Sie mir nicht glauben“ – Er wurde eingestellt.

Die Geschäftsreise

Willi Wendt war mal Fahrer hei August Hasselberg. August und Willi hatten einen großen Amerikanischen. Und da sind die beiden mal mit an die Mosel gefahren und haben an der Mosel irgendwie Geschäfte gemacht.
Dann haben Sie auch irgendwann an einem Tisch gesessen in einer ganz vornehmen Gesellschaft. Dann haben sie erzählt usw. „In einer halben Stunde erwarten wir unseren schwarzen Diener.“ Das ist doch unmöglich, wir können keinen schwarzen Diener haben. Und tatsächlich in einer Stunde kommt Willi Wendt und hat einen weißen Anzug an, ganz schwarz, und fängt an zu bedienen.

Kälberstricke

Hasselbergs haben mal nach der Währungsreform Kälberstricke verkauft. Da ja diese Stricke wie die Kälber auf Waagen angebunden wurden. Und da haben sie mal einem Landwirt Kälberstricke verkauft. Das ist Gesetz. Die müssen angemessen werden. und was haben sie nun gemacht? Ich weiß nicht, welcher Bauer es war. Nun mal hoch hier oben auf den Tresen. Und dann musste Richard Goedecke Kälberstricke anmessen. Und dann wurde hier gemessen und dann wurde da gemessen. Dann hieß es linken Arm hoch, beide Arme hoch usw. und so eine halbe bis dreiviertel Stunde. Wie sie dann nun so am messen sind, kommt das Mädchen von Hasselberg in den Laden rein und ruft: „Onkel, Onkel, lass Dich nicht verkackeiern!“

Der große Elefant aus Berlin

Die Brüder August und Willi Hasselberg in der Holzer Straße zu Alfeld waren (und sind es zum Teil auch heute noch) wegen ihrer teils recht derben Spaße weithin bekannt. So passierte im Jahre 1948 folgende Geschichte, zu der Nachstehendes vorweg bemerkt werden muss:
In das Jahr 1948 fiel die Berlin-Blockade, und zwar infolge der Spaltung Berlins durch Einsetzung einer nicht gewählten Ostberliner Verwaltung. West-Berlin war dadurch praktisch eine Enklave geworden, so dass Transporte von und nach dorthin nur noch auf dem Luftwege möglich waren. Die Versorgung West-Berlins war demzufolge äußerst schwierig und beschränkte sich auf das Notwendigste. Aber auch hier im Alfelder Land stand es zu diesem Zeitpunkt mit der Versorgung noch nicht am allerbesten.
Zu dieser Zeit kam nun ein biederer Sattlermeister aus der Gegend von Billerbeck in das Kontor der Firma Hasselberg. Mir wurde er mit den Worten vorgestellt: „Unser bester Kunde. Er gebraucht jedes Jahr 5 bis 6 Meter Drell, einige Rollen Bindfaden und noch verschiedene andere Sachen. Aber länger als ein Jahr haben wir mit der Bezahlung noch nicht zu warten brauchen.“ Während der brave Handwerksmeister nun seine neuen Bestellungen aufgab, unterhielten sich die Brüder Hasselberg immer wieder über einen großen Elefanten, der von Berlin nach Alfeld transportiert werden sollte. Sie sprachen dabei so laut, dass es der Mann aus Billerbeck unbedingt hören musste. Der Handwerksmeister wurde natürlich hellhörig und fragte, was es denn mit dem Elefanten auf sich habe. In diesem Augenblick betrat der ehemalige Fahrer der Firma, namens Willi Wendt, die Geschäftsräume und wurde seitens der Inhaber unvermittelt gefragt: „Willi, hast Du das besorgt?“ Willi Wendt nun seinerseits ebenso schlagfertig, denn er war ja jahrelang mit den beiden Hasselbergs zusammen gewesen und kannte deren Spaße, antwortete: „Ja, ich habe die Gurte nach Langenhagen gebracht; sie müssten jetzt schon in Berlin sein.“ Er sagte dies, ohne auch nur im Geringsten in Verlegenheit zu kommen, denn von der sich anbahnenden Elefantengeschichte wusste er absolut nichts. Nun wurde der Sattlermeister erst richtig neugierig und fragte erneut, was es mit dem Elefanten auf sich habe. Da wurde ihm eine Geschichte aufgetischt, die gelinde gesagt einfach hanebüchen war.
Der Transport des Tieres konnte also nur auf dem Luftwege erfolgen. Nach langen Versuchen hatte sich die amerikanische Luftwaffe bereiterklärt, den Elefanten auszufliegen. Das war aber nicht so ganz einfach, denn ins Innere passte er seiner Größe und seines Gewichtes wegen nicht hinein. Außerdem konnte er im Flugzeug unruhig werden und alle in Gefahr bringen. Und da außerdem bei dem Gewicht des Elefanten, welches von den beiden Hasselbergs mit etwa 270 Zentnern angegeben wurde, der Boden des Flugzeuges ohnehin nicht stark genug sei, fand man folgende Lösung: Es wurde eine große Kiste gezimmert, in die der Elefant hineinpasste. Während der Elefant mit den Gurten am Rumpf des Flugzeugs aufgehängt wurde, umgab ihn die vorerwähnte Kiste an einer Sonderaufhängung. Notwendigerweise mussten dem Flugzeug die Beine- sprich: Fahrgestell- verlängert werden, damit dazwischen die Kiste Platz finden konnte. Nach einigen Probeflügen ohne Elefant war es dann soweit. Der Elefant wurde verladen. Den weiteren Ablauf erklärte nun Willi Hasselberg dem braven Mann etwa folgendermaßen:
„Also mit dem Aufsteigen klappte es ja soweit ganz ordentlich. Die Schwierigkeit kam aber beim Landen. Und das sollte so vor sich gehen. Wenn sich das Flugzeug etwa 10 Meter über dem Erdboden befand, sollte der Pilot an einem Hebel ziehen, so dass alle Kistenbretter abfielen. Der Elefant hing jetzt frei am Flugzeug und musste bis zum Stillstand der Maschine noch etwa 800 Meter mitlaufen.“
Dem Sattlermeister fielen vor Staunen fast die Augen aus dem Kopf. Die Geschichte wurde aber auch so überzeugend vorgetragen, dass er sie fest glaubte. Von Hannover aus war dann ein Transport auf der Schiene keine Schwierigkeit mehr.
Jetzt kam aber auf den braven Billerbecker noch eine weitere Neuigkeit zu. Willi Wendt hatte allen Schlachtermeistern in der Stadt Bescheid geben müssen, dass diese sowie auch die Nachbarn ringsum die Kessel leer haben sollten, denn der Elefant sollte geschlachtet und an die Bevölkerung der Stadt als Sonderration ausgegeben werden. Hierbei hatte Willi Hasselberg eine Bitte, die er seinem Bruder August als dem Hauptverantwortlichen vortrug: Er hätte nämlich vom letzten Mal her noch genug Elefantenklein und möchte lediglich ein Stück Rüsselspitze in Sauer. Dieser Wunsch wurde ihm auch gewährt.
Die beiden Brüder nebst Willi Wendt haben dem guten Mann einen unter die Weste geschoben, dass die Balken hätten krachen können. Das Tollste aber war, dass der Handwerksmeister alles aufs Wort geglaubt hatte und damit wieder seinen heimatlichen Gefilden zugereist war, wo er für Weiterverbreitung dieser Geschichte sorgte.

Quelle: Hans Röttger aus Alfelder Geschichten, 1983

Der geheimnisvolle Anruf

Zu Beginn der dreißiger Jahre lebte in Alfeld der Tierarzt Dr. Jeitner, der als Stahlhelmführer den Spott der Hasselbergs auf sich zog.
Eines Tages trafen August und Willi Hasselberg den Tierarzt im Alfelder Ratskeller. August flüsterte: „Hör zu, Wilhelm, den Tierdoktor legen wir mal rein. Wir bestellen ihm, dass bei Arnemann in Ammensen eine Kuh kalbt.“
Willi beauftragte den Kellner damit, dem Arzt die erfundene Nachricht zu überbringen. Voller Spannung warteten sie darauf, was Dr. Jeitner tun würde. Ihr Streich hatte Erfolg: Dr. Jeitner packte seine Tasche und verließ eilig das Lokal. August und Willi bogen sich vor Lachen, als er mit dem Wagen in Richtung Ammensen losfuhr. Dort angekommen, merkte der Tierarzt, dass er einem Schabernack aufgesessen war. Bauer Arnemann sagte kopfschüttelnd: „Nein, wir haben Sie nicht gerufen. Bei uns kalbt keine Kuh.“
Verärgert fuhr Dr. Jeitner zur Polizei, um den Vorfall zu melden. Alfelds Polizeimeister Blickwede, ein für seine Strenge bekannter Mann, sagte: „Die Übeltäter müssen im Ratskeller sitzen.“ Er ging in den Ratskeller und fragte den Kellner: „Haben Hasselbergs telefoniert?“ Der Kellner antwortete wahrheitsgemäß: „Nein, die haben nicht telefoniert.“
Telefoniert hatten sie ja nun wirklich nicht.

Quelle: Elisabeth Koch aus Alfelder Geschichten, 1983

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