Die Feuerwehrübung

Es war ein strahlender Sommertag, ein Sonnabend. Entsprechend war auch die Laune der beiden Autoinsassen, Willi am Steuer und August als Beifahrer. Das heißt, so ganz ausgefüllt fühlten sie sich nicht, da fehlte noch was, die eigentliche Würze die einen solchen Tag erst richtig lebenswert macht. Mitten in dem kleinen Dorf ganz draußen am Rande des Landkreises sagte August plötzlich:“ Halte mal an, stell den Wagen dort drüben an der Ecke ab.“ „Was ist denn los?“ August wies mit der Hand auf die andere Seite des Platzes. Dort stand eine Gruppe von Feuerwehrleuten in Uniform. „Antreten“, rief der Feuerwehrhauptmann grade. „Da lässt sich was arrangieren“, sagte Willi und kletterte aus dem Fahrersitz. „Lass mich mal machen.“

Und er schritt würdevoll, aufrecht und zielstrebig auf die Gruppe Feuerwehrmänner zu. August, bemüht eben so zackig zu marschieren, hinterher.

Bei der Gruppe angelangt, fragte er den verdutzten Feuerwehrführer mit knappen Worten:“ Was geht hier vor? Ich bitte um Meldung.“
Der Hauptmann starrte den Neuankömmling an. „Was wollen Sie, wer sind Sie überhaupt?“
Willi nahm die Hacken kurz zusammen und stellte sich vor: „Ich bin der Oberbrandkommissär Wegerich von der Landesregierung in Hannover, und dies -“ er wies auf seinen hinter ihm stehenden und sehr erstaunten Bruder – “ ist mein Stellvertreter, Brandkommissär Bommel, ebenfalls aus Hannover.“ Der Hauptmann zuckte zusammen, legte die Hand an den Helm und meldete:“ Feuerwehr von Ortshausen angetreten zur Abfahrt zur Kreismeisterschaft.“

Willi nickte mit dem Kopf, „Lassen Sie bitte rühren“, sagte er jovial. „Rührt Euch“, scholl das Kommando.

„Ich habe Ihnen folgendes mitzuteilen;“ sagt Willi, während August interessiert seine Schuhspitzen betrachtete, als schauten aus den Schuhen seine Zehenspitzen raus. „Die Wettkämpfe sind von mir im Auftrag der Regierung abgesagt worden. Die Regierung ist der Meinung, das koste alles zu viel Geld, die Transportkosten zur Kreisstadt, die Abnutzung des Materials, die Ausfallstunden und so weiter. Sie hat daher angeordnet dass die Übungen nur noch im Ort stattfinden.“

Davon habe er noch gar nichts gehört, meinte der Hauptmann. „Das können Sie auch nicht, die Anordnung ist ganz neu“, sagte Willi.

Und er befahl: „Wir führen die Übung also hier durch, Brandobjekt ist die Kirche, alles andere – na ja, Sie wissen schon was Sie zu tun haben, Herr Hauptmann.“
„Abschlussbesprechung ist dann in der Gastwirtschaft – wie heißt sie doch gleich?

„Die Eiche“, warf einer der Männer ein. Es war der Sohn des Wirts der Hauptmann traute der Sache noch nicht ganz aber das bestimmte Auftreten von Willi hatte doch Eindruck hinterlassen.

Also ging es los, drei Angrifftrupps, Befehle erschallten, Schläuche wurden ausgerollt, die Pumpe sprang an, Wasser sprudelte, die Kirche wurde nass. Nach einer Dreiviertelstunde war alles vorbei, es hatte geklappt. „Wasser halt.“ Die Männer verstauten das Material und setzten sich in Richtung Schänke in Bewegung.
Dort wurden vom „Oberkommissär“ lobende Worte gesprochen, dass zwei Schläuche geplatzt waren und einige Kupplungsmanöver nicht ganz geklappt hatten – nun, das sei wohl mehr oder weniger Tücke des Materials gewesen.
Und als er grade so richtig in Schwung war, öffnete sich die Tür einen Spalt breit. Ein Kopf erschien und dann ein Zivilist der sich interessiert umsah. Und der dann laut rief: „Leute, wer soll das sein, die beiden? Brandkommissäre aus Hannover? Das ich nicht lache_! Die kenne ich, die kommen aus der Kreisstadt und sind als Schelme weit und breit bekannt. „
Der Hauptmann und die Männer erstarrten, der Spritzenführer der ersten Gruppe verschluckte sich, dass er den ganzen Abend mit einem Schluckauf zu kämpfen hatte. Der Hauptmann handelte schnell wie bei der Übung. Mit einem Satz war er an der Tür, drehte den Schlüssel rum und steckte ihn in die Tasche.
„Nun erzähl mal.“ forderte er den Neuankömmling auf. Willi und August wurden von Unruhe ergriffen.
„Die beiden haben ein Geschäft für Kordeln, Kiepenbänder und so weiter. Ich wollte mal für meine Kiepe neue Bänder kaufen. Wisst Ihr, was die mit mir gemacht haben?“
Er berichtete, sie hätten ihn in dem Geschäft auf den Verkaufstresen gestellt und vermessen. Größe, Schulterbreite, Hüftumfang, Armlänge rechts und links, Schrittweite, alles. Protestieren habe nichts genützt. „Ich will doch nur drei Meter Kiepenband und keinen Anzug“, habe er immer wieder gesagt. „Nichts da“, hätten sie dann geantwortet. „Vor allem der da“, und er wies mit dem Finger auf August, der wäre der Schlimmste gewesen und hätte immer noch was Neues erfunden. „Das hat fast eine Stunde gedauert, dann hatte ich mein Band für zwei Mark und siebzig und war froh, als ich draußen war.“ „Da habe ich einen Passantengefragt, machen die das immer so?“ Der Passant habe sich fast krankgelacht und gesagt, die Brüder seien die größten Schelme weit und breit und als solche bekannt und bewundert.

„Und jetzt sind sie hier“, stöhnte der Feuerwehrhauptmann, „und die Kreisübung ist zum Teufel. Wartet, das kommt Euch teuer zu stehen“, drohte er.

In dem Tumult – einige wollte Willi und August sogar an den Kragen, erscholl der laute Ruf von Willi: „Einen Moment, meine Herren, wir geben alles zu, leugnen hat keinen Zweck. Wir machen einen Vorschlag zur Güte.“ Und er erklärte, dass sein Bruder und er bereit seien, Buße zu tun, ein großes Fass Bier aufzulegen und das übliche Mett und Brot beizusteuern. Man sollte ihnen verzeihen, soweit das möglich sei, und sie täten es auch nicht wieder. Zu Hause wären sie auch bei der Feuerwehr, als Passive. Und Spaß müsse nun mal sein. Sie würden nichts erzählen und die Feuerwehrleute nicht bei den Kameraden weit und breit lächerlich machen. Außerdem würden sie noch fünfzig Mark in die Kasse spenden.

Es wurde immer ruhiger in der Versammlung, keine Mordlust lag in der Luft wie zu Beginn der Enthüllungen. Als das Fass anrollte und das Mett auf dem Tisch stand, kam zögernd und dann immer spontaner helle Freude auf. Vor allem wurde dem Zivilisten gedankt für die Aufdeckung der Lüge, sonst hätten sie außer Spott noch nicht mal was zu Trinken gehabt. Es wurde ein schöner Tag an den sich die Teilnehmer noch lange erinnern sollten.
Vom Kreisfeuerwehr-Hauptmann wurde die Meldung, man habe wegen Transportschwierigkeiten nicht kommen können, der Wagen habe gestreikt, ohne Misstrauen angenommen.
Nur eines steht auch heute noch nicht fest: Hat man die beiden Schwerenöter nun tatsächlich zu Ehrenmitgliedern der örtlichen Feuerwehr ernannt?
August und Willi behaupteten es und wollten das sogar beeiden. Aber da schritt der Herr Präsident ein.

„Halt ein“, rief er, uneidliche Falschaussage ist ein Ehrendelikt._“….. Und mit Eiden wollte man erst recht nichts zu tun haben. So ließen es die beiden dann dabei bewenden.