Die Dame aus Amerika


Der Herr Präsident war Witwer und stand wenige Jahre vor der Pension. Dem weiblichen Geschlecht stand er gleichgültig gegenüber. Beides sollte sich, so beschlossen die Stammtischbrüder eines Tages, ändern. Der Plan war teuflisch, ging aber schließlich nicht auf. Grund war die Sparsamkeit des Präsidenten.
Der Stammtisch tagte zu jener Zeit im „Hotel zur Post“. Der damalige Wirt hatte ein gar hübsches und ansehnliches Töchterlein, das glücklich verheiratet war und ihren Sinn für Spaß erhalten hatte. Diese Dame wurde wie der Wirt, in den Plan eingeweiht. Der Stammtisch tagte, wie üblich, am Freitag Abend, Alles war versammelt, einige Rügen waren ausgesprochen wegen zu spät Kommens, einige kleine Streitigkeiten mit der Glocke und den üblichen Rufen „Aber ich bitte Sie meine Herren“ geschlichtet worden. Der Wirt erschien in der Tür des kleinen Saales, fragte nach den Wünschen und blinzelte der Runde hinter dem Rücken des Präsidenten zu.

Einer stand auf, „Bitte um Entschuldigung, ich muss mal“, sagte er und verschwand. Nach kurzer Zeit kam er eilig zurück. „Herr Präsident, meine Herren, da draußen sitzt eine Dame , so etwas habe ich in meinem langen Leben nicht gesehen.“ „Toll, einfach toll.“ Alles drehte sich in Richtung Türspalt durch den man in den Nebenraum sehen konnte. „Donnerwetter“, entfuhr es dem Doktor, „lecker, lecker.“
Das kann man wohl sagen. Des Wirtes Töchterlein, auf Besuch erschienen, spielte das Spiel mit und kannte sich selbst nicht wieder: ein breitkrempiger Hut mit Halbschleier, ein tief dekoltiertes Kleid, eine Zigarettenspitze in ansehnlicher Länge ein Glas Sekt in der anderen Hand. Vom Stammtisch erklang ein leises Stöhnen.

„Wo kommt die denn her,“ fragte der Kaufmann, „ich werde mal nachfragen.“ und verschwand und kam bald zurück, „der Wirt sagt: Amerikanerin, reich, bleibt nur zwei Tage im Hotel, Witwe,“ flüsterte er der Runde zu. Es herrschte gespannte Stille. Bis sich der Notar erhob:“ Herr Präsident, es ist zwar absolut unüblich Damen an unsren Tisch zu laden, und ich bin mir der Bedeutung meiner Worte bewusst, wenn ich beantrage die Dame aus Amerika an unseren Tisch zu bitten.“ Der Präsident war konsterniert: „Aber das geht doch nicht, die Satzung, das hat es noch nie gegeben.“ „Abstimmen, abstimmen“, tönte es von Seiten der Juristen. Es blieb ihm nichts anderes übrig. „Nun denn, wer dafür ist.“ Mit einem Wuppdich waren alle Hände oben.

So wurde eine Tradition gebrochen.

Der Herr Präsident erhob sich, schritt würdevoll in den Nebenraum, beugte sich zu der Dame herab, sie lächelte ihn an erhob sich und schritt – ach was sage ich, schwebte an seiner Seite in Richtung Stammtisch. „Guck Dir den Hüftschwung an“, murmelte der Kaufmann und konnte sich nur wundern über das Naturtalent des Wirtstöchterleins. Ein Stuhl wurde neben den Präsidentenplatz gerückt. “ I am very glad“, sagte die Dame und entschuldigte sich dass sie nicht gut deutsch spreche. „Aber that is eine wundervolle Gesellschaft. Ich fühle mich so lonsom, so allein. Also sprach sie und schaute den Präsidenten mit Blicken an, dass dieser nach langen Jahren wieder errötete. „Waiter, Herr Ober bitte“, rief sie. Und an die Runde gewand fragte sie: „ich möchte einen Sekt ausgeben, einverstanden?“ Die Herren applaudierten. „Zwei Bottles“, sagte sie zum Ober. Der meinte zu seinem Chef „Sie hat Sekt bestellt, zwei Flaschen.“ „Ist sie verrückt geworden? Die muss ich doch bezahlen, so war das nicht gedacht.

Der Ober zuckte mit den Schultern, stellte die Flaschen in die Eiskübel und schleppte sie an den Tisch. Es wurde ein erfolgreicher Abend, die Stimmung nahm überraschende Ausmaße an. Der Herr Präsident rückte immer näher an die Dame ran. Sie sei Witwe seit einigen Jahren, ihr Mann sei auch Präsident gewesen von irgend so einer Gesellschaft mit Fabriken und so. Sie reise jetzt um die Welt, solange das Geld reiche. Vorerst habe sie noch genügend und nunmehr sei sie in – wie heißt der Ort eigentlich? Die Dame zog sich schließlich, mit Handküssen versehen, weit nach Mitternacht in ihr Zimmer zurück. Der Präsident schlug vor, der Dame am nächsten Morgen einen Strauß Rosen zu schicken als Dank für die nette Unterhaltung. Man könne das Geld aus der Gemeinschaftskasse nehmen.
„Das sollte der Präsident diesmal übernehmen, er hat ja wohl das meiste von der Dame gehabt.“ Wandte der Doktor ein. Der Präsident war einverstanden. Schließlich war er tief beeindruckt. Der Jurist drückte es klarer gegenüber seinem Kollegen aus: „Es hat bei ihm geschnackelt.“ Nun galt es aber weiter an der Schraube zu drehen, für die Brüder eine Kleinigkeit. Nachdem die Dame abgereist war, gingen beim Stammtisch in unregelmäßiger Folge Postkarten ein mit Briefmarken aus Ägypten und Norwegen, aus Japan und Brasilien. „Und besonders herzlich grüße ich den Präsidenten, er ist ein prächtiger Mann, und ich denke immer an ihn“, stand auf jeder Karte.
Der Präsident wurde unruhig. „Sie schreibt gar nicht, wann sie mal wieder kommt, sie hat es mir versprochen“, erklärte er an einem Stammtischabend. Seine Enttäuschung war offensichtlich. Er wartete. Dann kam die letzte Karte aus Kanada sie habe einen Herrn kennen gelernt und den wolle sie nun bald heiraten.

Der Zukünftige reise auch viel in der Welt herum und so könne man das nunmehr gemeinsam tun. Und vielleicht käme sie auch mal wieder an den Stammtisch. Der Seufzer des Präsidenten klang echt „Kann man nichts machen,“ sagte er aber diese neue Entwicklung habe auch sein Gutes“ wer weiß ,“ sagte der Präsident zu Abschluss der Affäre,“ wie lange ihr Geld gereicht hätte.
Und wenn ich dann in Pension gegangen wäre, hätte sie das meiste von der Pension für ihre Reisen verlangt. Und für mich wäre dann kaum noch was übrig geblieben. Dann schon besser ein Ende mit Schmerzen.“

Sagte er und bestellte eine Runde, was sonst eher selten geschah. Des Wirtes Töchterlein durfte sich für lagere Zeit nicht mehr bei Vater blicken lassen …