1954

1954 war ein Jahr großer Leistungen des Heimatkreises
Wohnungs-, Schul-, Straßenbau und Trinkwasserversorgung im Vordergrunde / Die Hälfte der Haushaltssummen für das Sozialwesen Weitere große Aufgaben werden im neuen Jahre gelöst

Für den Kreis Alfeld war das Jahr 1954 ein Jahr der großen Leistungen. Wir haben darum Oberkreisdirektor Beushausen und Landrat Wedekind zum Jahresende in einer Unterredung gebeten, uns noch einmal zusammenfassend die wichtigsten Aufgaben und ihre Lösung zu schildern und dabei zugleich einen Ausblick auf 1955 zu geben. Wir erfuhren dabei, dass 1954 die finanziellen Kräfte des Kreises aufs äußerste angespannt wurden, um das Straßenbauprogramm nahezu im dreifachen Umfange der normalen Instandsetzungstätigkeit abrollen zu lassen, um den Bau von 197 Wohnungen zu fördern und neue Schulen zu errichten.

Mancher Einwohner des Kreises wird von dem beachtlichen Aufschwung des Wohnungsbaues überrascht sein, weil ja die Wohnungen nicht im Zuge eines einzigen, von allen leicht übersehbaren Plans gebaut wurden, sondern in drei z. T. noch untergegliederten Programmen entstanden.Als wichtigste Aufgabe sah es der Kreis an Wohnungen in der Nähe der Arbeitsstätten zu errichten. Dieses  „Schwerpunktprogramm“ hat uns im letzten Jahr in Alfeld, Gronau, Elze, Nordstemmen, Duingen, Freden und Lamspringe 65 mit öffentlichen Mitteln geförderte Wohnungen gebracht. Die Gesamtkosten dieses Programms betrogen eine Million DM, an öffentlichen Geldern wurden 306 000 DM aufgewendet.

Das „Sonderprogramm“ lieferte zunächst neun Wohnungen für Schwerbeschädigte (Baukosten rund 150.000 DM, davon 51.000 DM öffentliche Mittel). Ferner wurden in seinem Rahmen erstmalig im Kreise Alfeld in größerem Umfange Landarbeiterwohnungen erstellt. Diese 21 Wohnungen kosteten 350.000 DM, davon 111.000 DM aus öffentlichen Mitteln. Im nächsten Teil dieses Programms schließlich entstanden 17 Wohnungen für Staatsbedienstete, sie erforderten 250.000 DM, davon 84.000 DM aus öffentlichen Geldern. Als letzter Abschnitt des Sonderprogramms sind im Zuge der Barackenräumung und der Ansiedlung von Sowjetzonenflüchtlingen 27 Wohnungen mit einem Aufwand von 360.000 DM gebaut worden, an öffentlichen Mitteln wurden davon 120.000 DM bereitgestellt.

Das „Streusiedlungsprogramm“ ermöglichte vor allem den Bau von Einzelhäusern mit Einliegerwohnungen. Hierbei wurden 38 Wohnungen fertiggestellt, zu deren Kosten von 900.000 DM die öffentliche Hand wiederum rund ein Drittel beisteuerte. Hervorzuheben ist noch, dass alle vom Kreis geförderten Wohnungen 60 bis 120 qm groß sind, es wurden also wirklich ausreichende Wohnungen geschaffen. Bei dem ungeheuren Wohnungsbedarf des Kreises reichte freilich auch diese erfreuliche Bautätigkeit nicht aus, selbst wenn man rund 50 weitere Wohnungen hinzurechnet, die ausschließlich aus privaten Mitteln errichtet wurden.

Für alle, die sich noch nach einer Wohnung sehnen, bleibt ein Trost: Wie uns Oberkreisdirektor Beushausen versicherte, kann 1955 mindestens im bisherigen Umfange weitergebaut werden, wenn keine Überraschungen und unvorhersehbaren Verknappungen eintreten. Finanzielle Schwierigkeiten sind nicht zu erwarten, im Gegenteil: Durch eine Auflockerung werden auch in den Wohnungsbau langfristige Kredite fließen.

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Luftbild der Alfelder Innenstadt 1954

Kreisbaumeister Warnecke und das Kreisbauamt haben neben der mühevollen Bearbeitung dieser vielen Wohnungsbauten auch mit dem Straßenbauprogramm alle Hände voll zu tun gehabt. Wie sich unsere Leser vielleicht erinnern, beschloss der Kreistag, die Mittel für die Instandsetzung der Kreisstraßen von 405.000 DM unter Vorgriff auf das kommende Rechnungsjahr um 800.000 DM zu erhöhen. Dieses 1,2 Millionen-Programm ist fast vollendet worden. Von den 130 Kilometern Kreisstraßen sind jetzt 98 km vollkommen in Ordnung, auf 18 km Länge wurde der Unterbau fertiggestellt, während im Frühjahr noch die Schwarzdecke aufgetragen werden muss, und nur noch 14 km sind in schlechtem Zustande. Die Vollendung der gesamten Landstraßenerneuerung noch im Jahre 1954 scheiterte an dem Mangel an Notstandsarbeitern, da die Bauarbeiten gegen Schluss des Jahres mit der Rübenkampagne und den Großprojekten der Trinkwasserversorgung zusammenfiel.
Oberkreisdirektor und Landrat versicherten jedoch ausdrücklich, dass die restlichen Strecken unbedingt im Frühjahr an die Reihe kommen. Darunter fällt auch die Straße von Alfeld nach Warzen, ferner die Strecken Sehlde-Esbeck, Eberholzen-Eitzum, Graste-Hornsen. Winzenburg-Klump und das restliche Teilstück der Straße Sack-Adenstedt. (Die Straße Duingen-Capellenhagen ist keine Kreisstraße!)

1955 wird für den Straßenbau noch eine Million ausgegeben werden müssen, von denen allerdings etwa 400.000 DM auf den Brückenbau entfallen würden. Das größte Projekt auf diesem Gebiet im neuen Jahre wird der Neubau der Marienbergbrücke sein. Dafür müssen der Kreis Alfeld und der Kreis Springe rund 200.000 DM aufbringen, die durch Anleihen beschafft werden müssen. Bereits am 11. Januar sollen in einer gemeinsamen Besprechung von Vertretern beider Kreise alle Einzelheiten des Brückenbaus festgelegt werden.

Ein Zwei-Millionen-Programm war im vergangenen Jahre der weitere Ausbau der Wasserversorgung. Den Löwenanteil an dieser Summe hat wiederum die Gruppenwasserversorgung im Raum Gronau. die bei Weenzen nun sogar über die Kreisgrenzen hinausgegriffen hat. Anschluss an das Sösewasser erhielten im letzten Jahre Duingen, Weenzen, Esbeck, Eitzum, Dötzum, Nienstedt und Betheln, noch im Bau sind die Leitungen irr Dunsen Deilmissen und Barfelde. Einzelwasserversorgung wurde für die Gemeinden Graste, Netze, Harbarnsen, Woltershausen (hier hauptsächlich für die‘ aufgesiedelte Domäne Hornsen), Freden und Brüggen geschaffen.
Noch im Bau sind die Wasserleitungen für Warzen und Irmenseul. 1955 wird auch Wallenstedt Anschluss an das Sösewasser erhalten, die Rohre sind bereits  angeliefert. Noch verhandelt wird über den Anschluss von Deinsen, Lübbrechtsen und Hoyershausen. Besonders in der letztgenannten Gemeinde ist die Wasserversorgung so schlecht, dass wir ihr von Herzen den Anschluss an die Söseleitung wünschen. Dem Kreis schwebt der Plan vor, den Wasserleitungsring im Nordkreis durch den Bau einer Leitung von Betheln über Mahlerten nach Nordstemmen zu schließen.
Die vorbildliche Gruppenwasserversorgung im Kreis Alfeld hat bereits den Nachbarkreis Hameln-Pyrmont bewogen, den Wunsch nach Anschluss von Benstorf und anderen Orten an das Sösewasser zu äußern. Seiner Erfüllung steht jedoch entgegen, dass sich die Harzwasserwerke bisher nicht bereiterklärt haben, für unseren Raum mehr als 800000 Kubikmeter im Jahr abzugeben. Dennoch ist für 1955 vorgesehen, Almstedt, Segeste und Wrisbergholzen an das Harzwasser anzuschließen und Breinum aus einer eigenen Quelle mit Wasser zu versorgen.

Für den Kreis Alfeld war 1954 auch ein Jahr der Schulbauten. Schon im Januar wurde die neue Kreisberufsschule in Alfeld ihrer Bestimmung übergeben, erhebliche Mittel des Kreises flossen auch in den kürzlich vollendeten Umbau der Landwirtschaftsschule in Gronau. und auch das Richtfest der Gronauer Kreisberufsschule konnte noch in diesem Jahr gefeiert werden. Hier werden Ostern 1955 die Schülerinnen und Schüler in ihre neuen Räume einziehen. Ferner wurde in diesem Jahre die Schule in Capellenhagen fertig.
1955 wird eine ganze Reihe kleinerer Schulbauten bringen. In Adenstedt wurde das Kirchengrundstück erworben, auf dem die Schule steht, die nun ausgebaut werden soll. Da Wispenstein und Imsen zum Bau einer gemeinsamen neuen Schule nicht unter einen Hut zu bringen waren, wird in Wispenstein durch Aufstockung ein neuer Klassenraum geschaffen, während in Imsen ein neuer Klassenraum angebaut wird. Langenholzen erhält eine neue Schule mit zwei Klassenräumen. In Grafelde wird der Klassenraum erweitert, und Gerzens Schule erhält neue Toilettenanlagen.
Noch nicht restlos geklärt ist die Schulbusfrage in Godenau, doch kann jetzt schon gesagt werden, dass sich hier eine großzügige, wenn auch durch besondere Umstände vielleicht langwierige Lösung anbahnt.

Auch im letzten Jahre kam dem Sozialwesen im Kreise AIfeld eine außerordentlich große Bedeutung zu, wurde doch die Hälfte der gesamten Haushaltssumme für dieses Gebiet angesetzt, wobei allerdings durch Zahlungen Drittverpflichteter und die Erstattung des. Bundesanteils auch erhebliche Rückflüsse zu verzeichnen sind. Besondere Aufwendungen wurden hier wieder für die Kindererholung gemacht, neu wurde beispielsweise in den Erholungsheimen das orthopädische Turnen eingeführt um die zahlreichen Haltungsfehler der Kinder wirksam zu verbessern. 500 Kinder wurden nach Niendorf, Norderney und Juist verschickt, und 11.000 DM gab der Kreis dafür aus, dass sich 135 Mütter in Heimen erholen konnten. Verstärkt wurde ferner die Heimkehrerbetreuung. Im kommenden Jahr soll die Eingliederung der Heimkehrer in das Wirtschaftsleben durch Gewährung von Existenzaufbaukrediten weiter erleichtert werden. Beim Sozialamt liefen bisher 2800 Anträge auf Heimkehrerentschädigung ein, weitere tausend Anträge werden noch erwartet.

Hiermit wollen wir unseren Streifzug durch die wichtigsten Leistungen des Kreises beschließen.
Sie alle sind nicht denkbar ohne Wirken der tatkräftige Wirken der Kreisverwaltung mit Oberkreisdirektor Beushausen an der Spitze.
Es sei in diesem Zusammenhange besonders hervorgehoben, dass sich der Kreis weit über das vorgeschriebene Maß hinaus auch der Sorgen der einzelnen Gemeinden angenommen hat, der OKD und seine Abteilungsleiter haben unzählige Male den Gemeindevätern mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Undenkbar aber sind diese Leistungen auch ohne das Umsichtige und zielbewusste Handeln von Armin Hunze, der während der größten Zeit des Jahres den Posten des Landrats in vorbildlicher Weise bekleidete. Wir wollen gern feststellen, dass auch der Kreistag und seine Ausschüsse saubere und korrekte Arbeit geleistet haben, bei der die Belange des Kreises und seiner Einwohner im Vordergrund standen und die parteipolitischen Erwägungen meist in den Hintergrund traten.

Am Schluss unserer Unterredung wiesen OKD und Landrat darauf hin, dass eine umfassende Planung für das kommende Jahr außerordentlich schwierig ist, da der Niedersächsische Landtag immer noch nicht das Ergänzungsgesetz zum Finanzausgleichsgesetz verabschiedet hat. So steht bis heute noch nicht fest, welche Gelder aus den Steuern vom Lande zurückfließen. Die angekündigte

Herabsetzung dieser Mittel um 20% gegenüber dem Vorjahre würde nicht nur dem Kreis im kommenden Jahre große Einschränkungen und Schwierigkeiten auferlegen, sondern auch Rückschläge für das am 31. März 1955 auslaufende Etatjahr bringen. Auch das neue Schulverwaltungsgesetz hat zwar den Gemeinden eine Entlastung gebracht, nicht aber dem Kreis, der nun 76.000 DM mehr aufbringen muss als im Vorjahre. Dennoch hoffen wir zuversichtlich, dass auch das neue Jahr für den Kreis Alfeld unter einem günstigen Stern stehen wird!

Heinz Linke


Das Jahr 1954
geht zu Ende. Wir stehen an der Schwelle des Jahres 1955.
Rückblickend können wir feststellen, dass das Jahr 1954 besonders hohe finanzielle Anforderungen an den Landkreis Alfeld stellte, einmal im Rahmen des hohen  Landstraßeninstandsetzungsprogrammes, zum anderen aber auch auf den Gebieten der Schulbauten, der Trinkwasserversorgungsbauten und nicht zuletzt auch auf dem Wohnungssektor.
Ob der Kreis auch im kommenden Jahre im gleich hohen Umfange seine Aufgaben auf diesen Gebieten wird durchführen können, hängt wesentlich von der Gestaltung des in Vorbereitung befindlichen Finanzausgleichsgesetzes ab. Auf jeden Fall werden wir uns bemühen, im Rahmen des Möglichen voll die Interessen des Landkreises und seiner Einwohner auch im kommenden Jahre wahrzunehmen.
Wir wünschen allen Kreiseinwohnern für ihre eigenen zum Guten gerichteten Unternehmungen vollen Erfolg in einem mit Gottes Hilfe hoffentlich friedvollen und segensreichen Jahr 1955.

Wedekind, Landrat Beushausen, Oberkreisdirektor

Quelle: Alfelder Zeitung vom 31.12.1954